Weser-Kurier vom 21. März 2001:

Die Kunst verliert an Bedeutung

Verband beklagt Verknappung der Leistungskurse in Oberstufen

Von unserem Redakteur Peter Groth

Bremen. Bilder regieren die Welt - Heerscharen von Art-Direktoren, Designern und Werbekaufleuten zerbrechen sich Tag für Tag den Kopf darüber, wie sie Menschen über visuelle Anreize mit ihren Botschaften erreichen. Gleichzeitig nimmt das Bemühen, jungen Menschen das Verstehen und das Herstellen von Bildern in der Schule bei zu bringen, deutlich ab, weil das Fach Kunst in den Schulen unter einem zunehmenden Bedeutungsverlust leidet. Kunst, sagt der Bund Deutscher Kunsterzieher, ist kein Neigungsfach, sondern ein Grundbildungsfach. 60 Delegierte des Verbandes aus allen Bundesländern haben sich jetzt in Bremen mit der Situation ihres Unterrichtsfaches befaßt und kritisiert, dass Kunst nicht länger Abiturprüfungsfach sein soll.
Bernd Müller und Edzard Hoenen, Bremer Vertreter des Berufsverbandes, sehen darin den vorläufigen Endpunkt einer langjährigen Entwicklung. In der Sekundarstufe I (7, bis 10. Klassen) sind die Unterrichtsstunden in Kunst und Musik seit vielen Jahren quantitativ reduziert und durch die Arbeit von "fachfremden" Lehrern auch qualitativ beeinträchtigt worden. Gut versorgt waren Hauptschulklassen. In der Sekundarstufe II (11. bis 13. Jahrgangsstufe) war die Bremer Situation bis vor vier Jahren bundesweit beispielhaft - in 17 Schulzentren gab es nicht weniger als 18 Leistungskurse Kunst. Inzwischen sind davon noch neun Leistungskurse mit fünf Wochenstunden übrig geblieben, angestrebt wird nach Informationen der beiden Verbandsvertreter nur noch ein Angebot von vier bis fünf Leistungskursen.
Der sich bundesweit abzeichnende Bedeutungsverlust für das Fach Kunst ist von den Bildungspolitikern gewollt, fürchten die Kunsterzieher. Die zunehmende Beschäftigung von Künstlern als billigen "Schmalspurlehrern", unzureichende Fortbildungsangebote und die völlige Unterbewertung der Bildsprache stoßen bei ihnen neben den formalen Einschränkungen bei der Wahl des Abiturfaches auf deutliche Kritik. Bernd Müller: "Es wird immer noch dieser Popanz der Nutzlosigkeit von Kunst aufgebaut. Dabei können Kinder und Jugendliche in diesem Fach die immer wichtiger werdende Sprache der Bilder, die von der Industrie zunehmend geforderte Kreativität erlernen." Müller, Hoenen und ihre Kollegen in dem Berufsverband halten es für einen Irrwitz, wenn das Bildungswesen zwar das Gedächtnis trainiere und alle möglichen Kenntnisse in Naturwissenschaften und Fremdsprachen vermittele, aber die Fantasiekräfte, die kreativen Gestaltungsenergien und den Ausdrucksdrang einfach ignoriere.