Farbe, neben Form, Ausdehnung und Größe wichtigstes Unterscheidungsmerkmal aller Körper und Dinge, spielt für das menschliche Wahrnehmungsvermögen eine zentrale Rolle, besonders dort, wo sie bewußt und subtil eingesetztes Ausdrucksmittel ist, also vor allem in der Malerei. Farbe erscheint sowohl in einem realen Bezug zu den Dingen als auch abhängig vom menschlichen Sehvorgang. Deshalb sind verschiedene Forschungszweige mit diesen Problemen beschäftigt. Sie sind Gegenstand vor allem der klassischen Farbenlehre, der Ontologie, Physik, Physiologie und Psychologie, aber auch der Theologie, Symbolforschung und Ästhetik. Alle ästhetischen und psychologischen Wirkungen der Werke der Malerei beruhen auf den materiellen Grundlagen der Farbe, den Farb- und Bindemitteln, ihren Anwendungsarten (Techniken) und ihrer auf die erstrebte Bildwirkung bezogenen Wahl und Verarbeitung (Technologie). Von der Verwendung natürlicher Farbstoffe aus mythologischen Gründen abgesehen, hat man sich seit ältester Zeit bemüht, aus allen Bereichen der Natur (Mineralien, Pflanzen, Tiere) Stoffe zum Färben von Gewändern, Bemalen von Figuren und Bauteilen zu gewinnen; aber auch, um damit Bilder zu schaffen - von der einfachen Ritzzeichnung (- Prähistorische Kunst) bis zur komplizierten Lasurtechnik (- Lasieren) der neuzeitlichen Ölmalerei, etwa bei Tizian. Die moderne naturwissenschaftliche Technologie unterscheidet lösliche Farbmittel (Farbstoffe) von festen (Pigmente). Farbstoffe dienen meist zum Färben von Wolle und Tuch und sind vor allem für die Bildwirkerei von Bedeutung (- Bildteppich). Auch in der Fresko- und Aquarelltechnik (- Freskomalerei, - Aquarell) werden gebundene Farbstoffe in Wasser gelöst. Am häufigsten angewendet werden jedoch die festen Farbmittel - Körperfarben oder Pigmente genannt -, deren sich vor allem die Tempera- und Ölmalerei bedienen. je nach Wahl der Bindemittel ist ein dünner, lasierender Farbauftrag möglich, der feinste Detailzeichnung und farbige Differenzierung zuläßt (z. B. die Mischtechnik der Brüder van Eyck), oder in der sog. - Primamalerei ein dicht deckender bis pastoser Einsatz der Farbsubstanz, der die stoffliche Qualität des Malmaterials selbst zur Erscheinung bringt (z. B. bei Lovis Corinth). Die Materialien, aus denen die Farbmittel in mechanischen oder chemischen Verfahren gewonnen werden, lassen sich einteilen in natürliche anorganische (z. B. Erden wie Bolus oder Ocker, Steine wie Lapislazuli), natürliche organische (z. B. Safran oder Indigo aus Pflanzen, Purpur aus Schnecken) und - seit dem 20. Jh. überwiegend - chemische Farbmittel. Die Verwendung der verschiedenen Farbmittel in der Malerei hängt ab von der jeweiligen Eignung für die Aufgaben (- Wandmalerei, - Tafelmalerei, - Enkaustik u. a.) und den künstlerischen Absichten (Aquarell-, Deckenfarben-, Lasurmalerei u. a.). Das ist vielfach eine Frage der gegebenen oder frei gewählten Malgründe (Piitz, Glas, Kreide, Gips, Papier u. a.) und der möglichen Bindemittel (Leim, Öle, Harze, Wachs, Pflanzengummi, Kasein u. a., s. a. Glasmalerei, - Temperamalerei, Mosaik u. a.). Der Gebrauch und oft sogar die Erfindung der Farbmittel und Techniken sind in hohem Maß eine Funktion der künstlerischen Absichten. Sie wird näher bestimmt etwa durch das Verhältnis der Malwerke zum Licht; Beispiele sind die Glasmalereien, deren Farben erst im Durchscheinen des Lichtes aufleuchten. Die Erfordernisse der Detailwiedergabe haben zur Entwicklung der sog. Mischtechnik beigetragen. Seit der Antike wurde immer wieder versucht, die über die materiellen Gegebenheiten hinausreichenden, der Farbe innewohnenden Gesetzmäßigkeiten in Farbenlehren zu fassen. War die Farbenlehre bei Aristoteles ein Aspekt der Naturphilosophie und im Mittelalter Teil der theologisch-philosophischen Spekulation über die Schönheit, die sich im Wesen des Lichtes - und der Farben - offenbart (Lichtmetaphysik), so verknüpfte man sie seit der Renaissance systematisch mit der allgemeinen Kunstlehre, etwa in Leon Battista Albertis Traktat über die Malerei (»Della Pittura«, um 1435). Im 16. und 17. Jh. wurde die Farbenlehre in die Auseinandersetzung um den Vorrang von Zeichnung oder Farbe verwickelt, die an den Akademien (- Akademie) entbrannte. Charles Le Brun erklärte, die Aufgabe der Farbe sei es, die Augen zu befriedigen, die Zeichnung jedoch spreche den Geist an. Dagegen sah der Maler und Kunstschriftsteller Roger de Piles (1635 - 1709) im Hinblick auf die Gemälde von Peter Paul Rubens in der Farbe das primäre Gestaltungsmittel. Erst Johann Wolfgang von Goethes Farbenlehre (1810) enthält im Kein alle Ansätze zu einer modernen Farbtheorie. Er erklärte das »Urphänomen« Farbe aus seiner Abhängigkeit von Licht und Finsternis heraus und schuf mit der Schließung des Farbkreises durch den Einsatz von Purpur, der im Spektrum nicht vorkommt - eines der ersten brauchbaren Farbensysteme. Der Maler Philipp Otto Runge hat mit seiner Farbenkugel etwa gleichzeitig die erste räumliche Darstellung der Farbordnung gegeben (1810 erschienen). Im 19. und 20. Ih. haben sich zunehmend die Maler selbst mit Farbproblemen beschäftigt. Die Entwicklung der Farbenlehre ist zugleich ein Spiegel der künstlerischen Entwicklung und dokumentiert den Weg von der klassizistischen, auf strenge Harmoniegesetze bedachten Zeit Goethes, über die Wiedergewinnung einer fast barocken Farbgebung, z. B. Eugene Delacroix', zur wissenschaftlichen Präzision, mit der Paul Signac und Georges Seurat die Gesetzmäßigkeiten etwa der Simultankontraste nutzten (- Pointillismus). jedoch erst Robert Delaunay realisierte erstmals die von Paul Cezanne und den Neoimpressionisten vorbereitete »Befreiung der Bildfarbe«, die den Künstlern des 20. Jh. die ganze Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten eröffnete (vgl. auch die Werke von Wassily Kandinsky, Paul Klee, Josef Albers, Emst Ludwig Kirchner, Emil Nolde, Erich Heckel, Marc Chagall u. a.). Grundlage der historischen Farbenlehren und der Farbtheorien der Psychologie und Ästhetik ist die Erklärung der Farbphänomene durch die Naturwissenschaften. Physik und Physiologie erklären die Farben als elektromagnetische, wellenförmige Strahlungen, die je nach Wellenlänge (etwa 400 bis 700 am) beim menschlichen Sehvorgang als verschiedene Farbeindrücke identifiziert werden. Fußend auf Isaac Newtons Erklärung der Spektralfarben bei prismatischer Brechung des Tageslichtes und auf den späteren Forschungen von Hermann Helmholtz (1821-94), Ewald Hering (1 834 - 1918) u. a., ist es gelungen, die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten in den Verhältnissen der Farben untereinander zu entdecken: Durch die sog. additive (optische Mischung sämtlicher Spektralfarben entsteht der Eindruck von Farblosigkeit, ebenso heben sich sog. Gegenüber Komplementärfarben auf (RotGrünblau, Orange-Blau, Gelb-Indigoblau, Grün-Purpur, Grüngelb-Violett). In der Malerei dienen solche Kontraste der formalen Abgrenzung der Hervorhebung wichtiger Teile des Bildes oder der Betonung flächiger und tiefenräumlicher Gegensätze, da in ihnen auch ein Warm-Kalt-Kontrast enthalten ist. Den Wirkungen der Komplementärfarben sind die Simultankontraste verwandt, die durch Reizung von Teilen der Netzhaut, die neben den bestrahlten Partien liegen, entstehen. Damit können in der Malerei Farbeindrücke hervorgerufen werden, die im Bild materiell nicht vorhanden sind (vgl. etwa Victor Vasarely); ein Grau neben einem intensiven Rot erhält einen Stich ins Grünliche. An den Werken Matthias Grünewalds z. B. lassen sich zahllose Erscheinungen dieser Art (auch Induktionswirkungen gen.) beobachten. Die Psychologie erweiterte das Aussagefeld der Physik und Physiologie durch umfangreiche empirische Forschungen (Farbtests mit ausgewählten Versuchspersonen) und konnte das Wissen um die Wirkung der Farben auf den Menschen vertiefen. Die Farben bilden in der Malerei - je nach Epoche, Stil und Künstler - das Grundgerüst der Gestaltung. In der Renaissance und im Barock ist die sog. Trias (Blau, Rot, Gelb) in vielen Werken das Zentrum einer Farb- und Bildkomposition; aus ihr entfalten sich alle farbigen Abstufungen, und in ihr gipfeln sie, sind zur Harmonie geschlossen. Dabei können die Grundfarben rein auftreten, wobei sich Intensität und Ausdehnung als genau abgewogen erweisen. Bei Tizian etwa kann ein kleiner Fleck intensiven Rots einer großen blauen Fläche die Waage halten (vgl. zur Trias auch Albrecht Altdorfer, Alexanderschlacht). Das Gelb der Trias kann auch als stoffliche Erscheinungsform von Licht aufgefächert sein (oft in Bildem Jan Vermeers), oder es bestimmt das - Inkarnat und hält einem intensiven Blau-Rot-Kontrast die Waage. Dieser Ausgleich berücksichtigt daneben auch die sog. spezifische Helligkeit der Farben, ihre Eigenschaft, von Natur aus einen individuellen Grad von Helligkeit zu besitzen (z. B. ist Gelb spezifisch heller als Rot). Sie erreichen diese Helligkeit im Bereich größter Sättigung, die man auch als Prägnanzstufe einer Farbqualität charakterisiert. Die Helligkeit der Farben, gewissermaßen der Anteil an Licht, der in ihnen enthalten ist, läßt sich auch rein darstellen, in der sog. Graureihe (unbunte Farben). Schwarz und Weiß bilden ihre Endpunkte und sind ambivalent: sie können als Farbwerte aufgefaßt werden (Weiß heller als Gelb, Schwarz dunkler als das dunkelste Blau-Violett), die mit Buntfarben mischbar sind, was zu einer Aufhellung oder Verdunklung, stets aber auch zu einer qualitativen Veränderung der Buntfarbe führt; man kann sie aber auch als die Endpunkte der nach ihrer spezifischen Helligkeit geordneten Farbreihe sehen. Es war in der Geschichte der Malerei der Neuzeit stets Kennzeichen einer qualitätvollen Arbeit, wenn das Verhältnis zwischen Farbtönen und Helligkeitsstufungen im Bild bewußt eingesetzt und abgewogen war i- Valeurmalerei); gleichgültig, ob es sich um die kräftige Farbgebung etwa bei Rubens oder um die zarten Abstufungen bei Claude Lorrain oder Gerard Terborch handelt. Wie Emst Strauss gezeigt hat, liegen in diesem Bereich auch die Mittel, mit deren Hilfe die Malerei Lichtwirkungen hervorruft. Denn während die Farbe unmittelbar aufgetragen wird - und stets auch materiell vorhanden ist -, können Lichterscheinungen nur indirekt, durch die Abwägung der in den Farben enthaltenen Helligkeiten, bewirkt werden. Aufhellung und Verdunklung der Farben mit Weiß und Schwarz unterstützen dieses Gestaltungsmittel. Wo auf diese Weise Lichtwirkungen im Bild hervorgerufen werden, die die Farben selbst zum Leuchten zu bringen scheinen, wird von einer echten - Helldunkelmalerei gesprochen; dies gilt für Werke Rembrandts sowie für viele Tafelbilder des 14. und 15. Jh. (s. z. B. Wittingau, Meister von W.). Demgegenüber steht eine klassizistische Auffassung, in der die formalen Werte dominieren. Durch die Modulation von Licht- und Schattenwirkungen, denen die Farbe untergeordnet ist, werden die Körperlichkeiten betont (etwa in Bildern von lacques Louis David oder lean Dominique Ingres). Die genannten Erscheinungen treten jedoch selten rein auf, sondern sind gewöhnlich eingespannt in ein Gefüge anderer sinnlicher Qualitäten und Eigenschaften. Der Einsatz der Bildfarbe ist meist in anschaulicher Weise mit den abgebildeten Gegenständen verknüpft; dabei scheint mitunter die Farbe an ihnen zu haften. Die Psychologie nennt dies die Erscheinungsweise der Oberflächenfarben. Sie folgen den Krümmungen des Gegenstandes - in der Malerei nicht wirklich, sondern suggestiv. Beispiele dafür lassen sich von Giotto bis ins 20. Jh. finden, doch haben klassizistische Strömungen besondere Neigung dazu. Die Farbe folgt oft auch den Gesetzen der Perspektive, ist im Bildraum farbperspektivisch richtig angeordnet. Warme (rötliche, gelbe) Töne drängen nach vorn zum Betrachter, kühle (blaue, grüne weichen zurück. Doch läßt sich beobachten, daß die Farbe nicht immer in diese Zusammenhänge von Beleuchtung und Schatten eingespannt und an die Körper gebunden ist. Oft treten große Farbflächen in der sog. optischen Ebene (zur Bildfläche planparallele Bezugsebene) zueinander in Beziehung, wirken unmittelbar als Farbflächen. Diese Erscheinungsweise nennt die Psychologie Flächenfarbe. Sie ist nicht eindeutig lokalisierbar; die der Farbe eigenen sinnlichen Qualitäten (kalt, warm, tief, flächig, intensiv, matt, düster, strahlend u.a.) und psychologischen Eigenschaften kommen unmittelbar zur Wirkung (- Kolorismus: gute Beispiele finden sich bei Giotto ebenso wie bei Matthias Grünewald, jan Vermeer van Delft oder William Turner). Erst die abstrakte Malerei liefert eine unmittelbare Anschauung dieses Gestaltungsprinzips; die Farben haften - auch in der Darstellung, erscheinungsmäßig unmittelbar auf der Malfläche Abstrakte Kunst). Doch gibt es schon seit Paul Cezanne und deutlicher bei Georges Seurat und Paul Signac Bestrebungen, die Farbe als selbständiges Ausdrucksmittel ins Bild zu bringen. Signac setzt die Farben oft unvermischt in Kontrasten nebeneinander und überläßt die optische Zusammenführung dem Auge des Betrachters. Die Bezüge zur abgebildeten Dingwelt sind auf das Notwendigste reduziert. Die Übergänge und Modulationen der beiden Erscheinungsweisen in der Malerei sind zahlreich, und meist reicht es nicht aus, eine Farbgebung als lokalfarbig, d. h. auf die Gegenstände der Darstellung bezogen, oder als lichtoder raumfarbig - als übergreifende Farbigkeit - zu kennzeichnen. Die wechselseitige Beeinflussung der Farben im Bild kann mit dem System der Farbästhetik von J.G. von Allesch weiter erschlossen werden; gemischte Farbeindrücke sind in drei Komponenten zerlegbar: das Niveau (kann vom Betrachter im Bewußtsein mitgeführt werden oder durch die Umgebung des Bildes bestimmt sein), die Kategorie und die Dominante. Beispielsweise kann in einem von einer grünen Wandfläche umgebenen Bild und aus entsprechendem Abstand betrachtet, in einem Gelbgrün Grün als Kategorie (Grundwert), Gelb als Dominante (Haupteindruck) gesehen werden. Die besondere Aufgabe der kunstwissenschaftlichen Analyse liegt darin, nach der Erfassung von Material, Wirkung und Gesetzmäßigkeiten des farblichen Aufbaus von Werken der Malerei die Ergebnisse mit den sog. Formalanalysen zu verbinden: Im Realbereich, im unmittelbar Materiellen, Greifbaren, werden die Farb- und Bindemittel sowie die Maltechnik behandelt. Im Phänomenalen, auf der Ebene der Erscheinung, sind die abbildenden Elemente im Werk Objekt der Untersuchung - das Verhältnis der Farben zu Gegenständen der äußeren Wirklichkeit, die Zusammenhänge zwischen Licht, Schatten und Farbigkeiten. Da die Farbwerte im Bild mittelbar wiedergegebenen Farbeindrücken entsprechen, geben sie Aufschluß über die Auffassung des Künstlers von der Stofflichkeit der dargestellten Dingwelt (vgl. z. B. die Malerei der - Donauschule). Auf einer zweiten Ebene des Phänomenalen, die die Farben von den abgebildeten Dingen abstrahiert, werden die dargestellten psychologischen und ästhetischen Farbgesetze wirksam. Es ist die Ebene der spezifisch künstlerischen farbigen Gestaltungsmittel; u.a. die abstrakte Malerei hat in der Verwendung der »reinen« Farbe als Gestaltungsmittel diese Ebene thematisiert. Auf einer letzten Ebene steht dann die Bedeutung der Farbe im Bild im Mittelpunkt der Untersuchung bzw. die ursprünglichen Beziehungen der Farben in ihrem Verhältnis zum Licht und zu den Körpern. (Ein Beispiel dafür ist die Beobachtung Hans Sedlmayrs, daß mit dem Auftreten der Trias im Inkarnat bei Rubens auch die zentrale Stellung des Menschen in seinen Bildern zum Ausdruck gebracht ist.) Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Ontologie des Lichtes und der Farben; sie sind auch Gegenstand der ikonografischen und symbolischen Farbbestimmungen. Die Prinzipien und Methoden der kunstwissenschaftlichen Farbanalyse wurden u. a. durch Hans Jantzen, Wolfgang Schöne, Hans Sedlmayr und Emst Strauss entwickelt.