Freilichtmalerei In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde es üblich, daß englische Maler zu einer Studienreise nach Italien aufbrachen, um die damals gültigen Vorbilder der Landschaftsmalerei, Claude Lorrain und Nicolas Poussin, in Rom zu studieren. In der Stadt und in den Landschaften südlich von Rom sammelten die Künstler Landschaftsmotive und Architekturversatzstücke, die sie dann als Skizzenvorrat für ihre Bilder mit nach Hause brachten. Die Studien wurden an Ort und Stelle in Bleistift angelegt und dann mit Ölfarben ausgeführt, oder noch häufiger - wegen der kürzeren Trocknungsdauer - mit Aquarellfarben koloriert. Diese Art, Reiseeindrücke festzuhalten, erfreute sich ständig wachsender Beliebtheit. Bildwürdige Landschaften waren sowohl die Städte Italiens, vor allem Venedig, wie überhaupt die Alpen, und viele Gegenden in Deutschland und Frankreich. William Turner (1775-1851) stellte in seinen Bildern häufig dramatische Vorgänge in kühnen Farbakkorden dar, Sonnenaufund -untergänge, brennende Schiffe, Stürme auf dem Meer. "Regen, Dampf und Geschwindigkeit" heißt ein Bild, auf dem Turner eine feuerspeiende Eisenbahnlokomotive zeigt, die über eine Brücke donnert. In der Darstellung des Gewaltigen und Erhabenen, bei dem der Betrachter angesichts der atmosphärischen und kosmischen Katastrophe schaudert, trieb Turner die Verselbständigung der bildnerischen Mittel innerhalb der Ölmalerei zu bisher nicht gekannten Graden. Direkt aus der Tube ist die Farbe in dicken Klecksen und dämpfenden Strichen auf die Leinwand gedrückt, manchmal mit Fingern oder Spachteln geformt. Dann wieder ist die gemalte Fläche heftig mit dem Pinselstiel ausgehöhlt oder mit dem Daumennagel, den Turner zu diesem Zweck zu einer Adlerklaue wachsen ließ. Bestimmte Passagen sind mit einem öligen Lappen und weiß der Himmel womit noch hingestrichen und ausgewischt, um diesen magischen Dunst hervorzubringen, der aus der Nähe nach gar nichts aussieht und doch die ganze Stimmung ausmacht. (Mullins) Eine andere Richtung der Landschaftsmalerei des frühen 19. Jahrhunderts bildete sich an den weniger idealistischen, eher realistischen Landschaften des holländischen Barock heraus, an Jacob Ruisdael, Aelbert Cuyp, Willem van de Velde; an ihren Landschaftsbildern wurde die Wahrnehmung geschult für die Reize der je eigenen Umgebung. Arbeiten wie die Wolkenstudie von John Constable (1776 - 1837) zeigen das wachsende Interesse für die Vorgänge in der Natur und in der Atmosphäre, für die verschiedenen Wolkenarten (die Bezeichnungen für Wolkentypen, wie z.B. "Cumulus", stammen aus dieser Zeit), für Lichtstimmungen bei Sonnenschein und bei Gewitter, für die Darstellung von Regennässe auf Blattwerk und Wiesen. Dennoch müssen wir aus heutiger Sicht feststellen, daß diese Studien - für uns frische und lebendige Malerei - zu ihrer Zeit meist nur als Rohmaterial für größere, genau ausgearbeitete Landschaftsdarstellungen dienten. Constable übte mit seinen Bildern, z. B. mit den Darstellungen der Kathedrale von Salisbury in verschiedenen Farbvariationen, auf die Impressionisten, vor allem auf Monet, einen großen Einfluß aus. Um 1830 ging eine Gruppe von französischen Malern nach Barbizon, einem kleinen Ort am Rand des Waldes von Fontainebleau, um dort - teilweise im Freien, vor dem Motiv - Landschaftsbilder zu malen. Wenn die Maler von Barbizon auch in Malweise und Anschauung sehr verschieden waren, so einte sie doch alle die gleiche kompromißlose Verehrung der Natur und der Wunsch, ihren Wahrnehmungen treu zu bleiben. Dennoch sah jeder in der Natur nur die Elemente, die seinem Wesen entsprachen, und suchte einen bestimmten persönlichen Aspekt festzuhalten. - Keiner dieser Künstler jedoch malte wirklich im Freien,- sie begnügten sich meist mit flüchtigen Skizzen, die sie im Atelier ausarbeiteten [ .. ]. Auf diese Weise wollten sie - wie Rousseau sich ausdrückte, den frischen Eindruck der Natur im Gedächtnis behalten. (Rewald) Zu diesem Kreis der "Schule von Barbizon" zählen neben Théodore Rousseau (1812 - 1867) unter anderem Jean-Francois Millet und zeitweise Charles-Francois Daubigny (1817-1878). In ihren stimmungsvollen Landschaftsbildern (? "paysage intime") versuchten sie, persönliches Erleben mit einer realistischen Sicht auf einen ausgewählten Landschaftsausschnitt zu verbinden. Camille Corot (1796- 1875) stand dem Kreis um Rousseau nahe. Er ist ein Meister duftiger Stimmungslandschaften, die von aufsteigendem Dunst, von Morgen- und Abendnebeln in weiche Schleier gehüllt erscheinen; seine vermischten silbrigen Grau- und Grüntöne nehmen den Gegenständen ihre harte Festigkeit und verbinden sie zu einer gedämpften Einheit. Corots "Pont de Mantes' führt über einen Fluß, dessen ruhige Oberfläche einem stehenden Gewässer gleicht. Obwohl wesentliche Motive dieser Landschaft von Menschen geprägt sind, bietet sie das Bild vollkommenen Einklangs. Alles an ihr ist Überbrückung, Verbindung, Verständigung von Form zu Form. Die Umrisse der Brücke und der Häuser schreiben sich vollkommen in die Ordnung des Bildgefüges ein. Ihre Waagerechten verlaufen rahmenparallel, dadurch bleiben sie in der Fläche und werden gemeinsam mit den Senkrechten vom Auge als angenehm empfunden. Die vier Bäume des Vordergrundes halten sich in einer senkrechten Ebene auf. Zwei berühren die seitlichen Bildränder, drei werden horizontal abgeschnitten. So kommt eine fast die ganze Fläche durchlaufende streifenförmige Gliederung zustande, die sowohl horizontal als auch vertikal abgelesen werden kann. All das ist wunderbar ineinandergewirkt. Den dunklen Umrissen der Bäume vor der helleren Tönung des Wassers entspricht der Wechsel von Licht und Schatten au dem Brückenkörper. Dem Rhythmus der aufrechten Bildglieder - Bäume, Pfeiler, Rauchfänge - verbindet sich die breite Lagerung der Ufer, der Brückenbogen, der Dächer und der Horizontlinie. (Hofmann) In Nachahmung der Schule von Barbizon haben sich immer wieder junge Künstlerinnen und Künstler zusammengefunden, um in anregenden Landschaften, vor "malerischen" Motiven zu arbeiten. Beispiele in Deutschland waren der Kreis um Leibl (um 1870), später die Maler in Worpswede (Modersohn u.a.). Zu den bedeutendsten deutschen Landschaftsmalern bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts gehören neben vielen anderen Carl Rottmann (1797- 1850) Wilhelm von Kobell (1777-1855) und Eduard Schleich d.Ä. (1812-1874), einer der Hauptmeister der Münchner Schule. Der Berliner Karl Blechen (1798-1840) hat als Romantiker begonnen, war einige Jahre Bühnenmaler unter Schinkel, hielt sich 1828/29 in Italien auf und änderte dort seinen Malstil völlig. Er gab die Genauigkeit des Details zugunsten der malerischen Nachgestaltung der wesentlichen Farb- und Lichtwirkungen in der Natur auf. Er war der erste deutsche Freilichtmaler, der die Landschaft als eine lebendige Gegenüberstellung von dunklen, unbeleuchteten Flächen und der strömenden Magie des Lichteinfalls auffaßte. In dem Bild "Im Park von Terni" ist an die Stelle topographisch genauer Wiedergabe der Landschaft die malerische Gestaltung des momentanen Augenerlebnisses getreten. "Das Licht perlt und fließt um die Konturen der schlanken Baumstämme, zittert auf aus dem Dunkel aufleuchtenden Blattspitzen, schwebt und tanzt zwischen den Wipfeln, umschmeichelt die beiden nackten Frauengestalten, um sich endlich in dem Weiß und Rot der abgestreiften Gewänder zu fangen; es läuft in der hellen Gasse auf dem dunklen Boden aus" (J. Eyssen). Die Impressionisten sind die Maler des Lichtes; sie malten die Großstädter bei ihren Vergnügungen in Paris, die Landschaft und die Ausflugsziele der Umgebung. Um den Eindruck des "reinen Sehens", das Spontane des flüchtigen Augenblicks festzuhalten, verwandeln sie die Erscheinungen auf ihren Bildern in helle, flimmernde, flirrende Farb- und Lichtwolken. Durch einen kommaähnlichen Pinselstrich, der unterschiedslos über die Formen und Oberflächen der Figuren und ihrer Umgebung hinwegspielt, sichern sie einen übergreifenden rhythmischen Zusammenhang. Diese Maler wollten Zeitgenossen sein, sie griffen in die Vielfalt der großstädtischen Welt, entdeckten das lärmende Treiben auf den Boulevards, die Festtagsstimmung der Gasthausgärten und den bescheidenen Zauber der Vorstadtlandschaft. Alles das konnte erst von Künstlern für malwürdig erachtet werden, deren Erlebnisnerv ganz auf das Spontane und Zufällige, auf die Oberflächenvibration und auf den flüchtigen Augenblick ausgerichtet war. Diese neuen Bildthemen, die in ihrer Gesamtheit ein optimistisch gestimmtes Panorama des modernen Lebens bieten, konnten freilich nur Abscheu bei einem Publikum erwecken, das von der Kunst ideale oder exotische Welten und sentimentale Anekdoten erwartete, nicht aber die "gewöhnliche" Wirklichkeit der Rennplätze, der sonntäglichen Ruderer oder der Ballettproben. (Hofmann) "lmpression - soleil levant' (Eindruck Sonnenaufgang) hatte Claude Monet ein Bild genannt, das Le Havre im Frühnebel darstellte. Es hing in der ersten Impressionistenausstellung von 1874 im Atelier des Photographen Nadar, und wahrscheinlich stammt der Gruppenname "Impressionisten" - zuerst als spöttische Bezeichnung von einem Kritiker formuliert - von diesem Bild ab. Ihre Ausstellung hatte die Gruppe als Gegenveranstaltung zum alljährlichen "Salon" aufgezogen, weil ihre Bilder dort von der Jury der Akademieprofessoren immer wieder abgelehnt worden waren. Es dauerte eine Zeit, bis das Publikum lernte, daß man ein paar Schritte zurücktreten muß, um ein impressionistisches Bild richtig zu sehen und das Wunder zu erleben, wie das wilde Gewirr von Farbflecken plötzlich Gestalt annimmt und vor unseren Augen zum Leben erwacht. (Gombrich) An Stelle der in der traditionellen Malerei dargestellten Gegenstandsfarben und ihrer Abstufungen versuchten die Impressionisten, das Licht auf verschiedenen Oberflächen durch das Festhalten der Beleuchtungsfarben darzustellen, d.h. sie zeigen die Lichtflecken und die farbigen, oft komplementären Schatten, schaffen Übergänge zwischen den Farben der Gegenstände und den Farben der Umgebung. Auf die Zeichnung, die Konturen, die die Form umreißen sollen, wird verzichtet,- an ihre Stelle treten fragmentierte, nebeneinandergesetzte Pinselstriche. Die Perspektive wird nicht mehr durch Anwendung geometrischer Regeln erreicht, sondern sie ergibt sich vom Vordergrund bis zur Horizontlinie aus der Abstufung der Farbtöne, die Raum und Volumen definiert. Genauer gesagt: die Färbung bezeichnet die Eigenart einer Farbe (Smaragdgrün, Artischockengrün, Englischgrün etc.), während der Ton den Helligkeitsgrad einer Farbe von dunkel bis hell charakterisiert. Die impressionistischen Künstler verzichten auch auf Helldunkel und scharfe Kontraste. Sie verbannen von ihrer Palette die Schwarz-, Grau- und Brauntöne, das reine Weiß, die "Erdfarben"- sie beschränken sich auf die Farben des Prismas: blau, grün, gelb, orange, rot, violett verschiedener Nuancen. Und so schaffen sie die Dinge aus ihrer Schau und nicht aus ihrem Wissen. Sie malen z.B. die Erde violett oder malvenfarbig, blau, rosa, orange., aber nicht braun. Häufig verwenden sie die Farben nach dem Prinzip der optischen Mischung: Zwei reine, nebeneinander aufgetragene Farben (die nicht auf der Palette gemischt werden) wirken im Auge des Betrachters in der vom Maler gewünschten Art. Ein Nebeneinander von blauen und roten Strichen sieht er als violett. Sehr genau hat Pissarro, der einigen Künstlern, u. a. Cézanne, die impressionistische Malweise nahebrachte, den spezifischen Malprozeß erklärt: Hat man ein Motiv gewählt, muß man an allem gleichzeitig malen [ .. ] Das Auge darf sich nicht auf einen bestimmten Punkt konzentrieren, sondern muß alles aufnehmen und dabei die Reflexe der Farben auf ihre Umgebung beachten. Arbeiten Sie nebeneinander am Himmel, Wasser, an den Zweigen und an der Erde, und verbessern Sie immer wieder, bis das Ganze stimmt. [...] Malen Sie flott und ohne Zögern, denn es ist wichtig, den ersten Eindruck festzuhalten. (Böhm) Von der wechselnden Zahl der Maler, die zwischen 1874 und 1886 etwa sechs größere Ausstellungen ausrichteten, identifizierten sich nur die konsequentesten drei, Monet, Pissarro und Sisley, mit den Zielen der Gruppe. Manet war als Anreger von großer Bedeutung, steht aber künstlerisch in einiger Distanz zur Gruppe, ebenso Berthe Morisot, neben Mary Cassatt die zweite Malerin in diesem Kreis. Das malerische Werk von Degas und Renoir ist nur in Teilen dem Impressionismus zuzurechnen. Cézanne, der von Anfang an bei den Diskussionen und auch in Ausstellungen dabei war, verfolgte ebenfalls andere Ziele. Edouard Manet (1832-1883) wuchs im gutbürgerlichen Milieu einer Ministerialbeamtenfamilie auf. Nur nach langem Streit akzeptierte der Vater den Berufswunsch seines Sohnes Edouard, der eine gediegene Ausbildung beim Historienmaler Couture erhielt. Nach ausgedehnten Studienreisen in ganz Europa machte sich Manet als Künstler selbständig; seine Bilder wurden im alljährlichen Salon teils akzeptiert, teilweise heftig abgelehnt. 1863 erregte sein Gemälde "Das Frühstück im Grünen" bei der Ausstellung im Salon des Réfusés (Salon der Abgelehnten, "Ausjurierten") große Empörung wegen der Schamlosigkeit, eine nackte Frau zwischen zwei modisch gekleideten Herren in einem Park zu zeigen. Auch sein Bild "Olympia", auf dem ein unbekleidetes Mädchen mit abschätzigem Blick den Betrachter fixiert, führte später zu einem Skandal. Erst nach 1872 war Manets künstlerischer Erfolg gesichert. Er arbeitete jetzt auch im Freien, animiert von Monet und Berthe Morisot. Gegen Ende der siebziger Jahre erkrankte Manet und starb einige Jahre später. Manet hatte sich stets geweigert, zusammen mit den Impressionisten auszustellen. Dennoch war er so etwas wie ihr geistiger Führer, seine Themen und seine Malweise nahmen vieles von ihrem Programm vorweg. Ganz deutlich unterscheidet er sich von ihnen in der Verwendung dunklerer und mittlerer Farbtöne: die vielen Grau-, Schwarz- und Brauntöne sind in ihren Abstufungen eine wesentliche Qualität seiner Bilder. Auch in anderen Beziehungen nimmt Manet eine Mittlerposition zwischen Tradition und Moderne ein. Er entfaltet "die unterschiedlichsten Bilder aus dem Leben seiner Zeit mit klassischer Großartigkeit und der Freiheit der Moderne" (Cachin). Bei den Klassikern der Kunst suchte sich Manet Vorbilder für seine Figurenkomposition. So übernahm er die Dreiergruppe der Sitzenden in seinem "Frühstück im Grünen" aus einer Komposition nach Raffael; seine "Olympia" hat ihr Vorbild in Tizians "Venus von Urbino". Weitere wichtige Vorbilder Manets waren Goya und Velazquez. Die Menschen in Manets Bildern sind anderseits überraschend modern gezeigt; Manet war ein sehr genauer Beobachter der eleganten Pariser Großstadtwelt der Boulevards, Salons, Cafés und der Ballsäle. Er war selbst der "Flaneur", immer elegant gekleidet mit Gehrock und Hut, höflich, geistreich und witzig. Seine Malkultur ist sprichwörtlich: Sie entfaltet in den lichtvollen Oberflächen der Dinge einen duftigen Glanz, in den Blumen wie auf den Gesichtern seiner Frauen und Mädchen einen zartschimmernden Schmelz, in den Gläsern und Flaschen, Vasen und Kronleuchtern kristallen funkelndes Glitzern, das immer frisch und sprühend, leicht und wie gehaucht aussieht, und in Wirklichkeit nur sehr schwer, mit handwerklicher Mühsal und mit vielen Fehlversuchen zu erreichen ist. Über der Heiterkeit Manetscher Szenerien liegt gleichzeitig oft auch Beklemmung, Eingesperrtsein in Kostüm und Konvention. Seine Räume sind gedrängt, gestaucht, wie mit Gittern und Barrieren abgesperrt, durch Wände und Spiegel verunklärt und verflacht. Seine Figuren wirken häufig traumhaft abwesend, isoliert, unverbunden; oder aber sie suchen mit fragendem, herausforderndem oder spöttischem Blick den Augenkontakt zum Betrachter. Besonders deutlich ist die Mehrdimensionalität der Bedeutungen an einem der letzten Bilder Manets erfahrbar, der Bar in den "Folies- Bergère". Hier zeigt Manet durch die nicht ganz eindeutige Spiegelung das Barmädchen in zwei Situationen: in ihrer Berufsrolle und in der Rätselhaftigkeit und Unnahbarkeit ihrer Existenz. Wie die Flaschen und Gläser steht sie im Schaufenster der Bar, diese wieder ist Teil des riesigen Schaufensters, das Folies-Bergère heißt. Randfigur und Statist wie der schwebende Akrobat, verkauft sie Ware und ist selber Ware. verdinglicht und verfügbar, aber in eine Aura der Unnahbarkeit gestellt, die sie unantastbar macht und ihre gesellschaftliche Rolle als Paradigma der Entfremdung erkennen läßt. (Hofmann) Berthe Morisot (1841-1896) war Tochter eines Präfekten eines Verwaltungsbezirks. Sie erhielt zusammen mit ihren Schwestern eine vorzügliche Ausbildung mit Musik und Malstunden. Sie war Schülerin des Historienmalers Guichard, dann bei Corot. Im Louvre lernte sie Manet kennen, und eine intensive Künstlerfreundschaft begann; später heiratete sie Edouard Manets jüngeren Bruder Eugène. Sie stellte des öfteren im Salon aus, ebenso bei der ersten Impressionistenausstellung 1874. Neben den anderen Qualitäten der impressionistischen Malerei zeichnen sich ihre Bilder durch silbrige Weißtöne aus, die durch locker hingewischte Pinselhiebe auf Kleider und auf Wasseroberflächen Lichtreflexe zeichnen. "Ich möchte nur etwas festhalten, das vergeht", schrieb sie in einem ihrer letzten Briefe, "eine Bewegung von Julie [ihrer Tochter], ein Lächeln, eine Blüte, eine Frucht, den Zweig eines Baumes." Edgar Degas (1834-1917), Sohn eines Pariser Bankiers und zeitlebens aller finanziellen Sorgen enthoben, war mit den Impressionisten eng befreundet, nahm auch an ihren Ausstellungen teil, blieb aber - wie Manet - als Maler unabhängig. Er kümmerte sich auch nicht um Farbzerlegung, pastosen Farbauftrag oder um den kurzen Pinselstrich; fast nie arbeitete er im Freien. Seine Vorbilder waren Ingres und Raffael. Degas malte großformatige Historienbilder und Familienporträts, ehe er zu seinen spezifischen Themenwelten fand: der Welt des Balletts und der Pferderennplätze. Dazu er selbst: "Man nennt mich den Maler der Tänzerinnen. Dabei begreift man nicht, daß die Tänzerin für mich nur ein Vorwand ist, schöne Stoffe zu malen und Bewegungen wiederzugeben." Außer den Tänzerinnen bevorzugte er noch zwei andere Themen: Frauen bei der Toilette und Jockeys auf der Rennbahn. Alle drei Motive haben eines gemeinsam: Bewegung. [Dabei wird] deutlich, daß Degas beiden Tänzerinnen weniger die einzelne Persönlichkeit interessierte als deren Bewegung, deren Haltung. Ihre Gesichter zeigt er meist blaß, anonym. Bei den Bewegungen wiederum beschäftigt er sich vor allen mit jenen, die mehr oder weniger unbewußt, nicht im Hinblick auf Zuschauer, geschehen. [...] Diese Anmut war es, die Degas an den Mädchen faszinierte. Er fand sie bei den Wartenden und auch - in glücklichen Momenten, auf anderer Stufe - bei den Tanzenden: nicht ihre ursprüngliche Anrnut, sondern die dank höchster Artistik neu erworbene Anmut von Balletteusen, die selbstvergessen in ihrer Kunst aufgehen. (Hagen) Bei seinen Bewegungsstudien wurde Degas stark beeinflußt von japanischen Holzschnitten (vor allem von Hokusai, die Alltagsszenen zeigen. Außerdem war er ein begeisterter Amateurphotograph. Anders als die die überwiegend positiven Seiten des Lebens zeigenden Impressionisten [...] fand Degas zu den radikalsten Lösungen für eine mit der Großstadtzivilisation einhergehende Anonymisierung und Entfremdung des in der Vermassung unter seinesgleichen vereinzelten Menschen [...]. Die impressionistische Feiertäglichkeit wurde konfrontiert mit dem Alltag, der Spaziergänger mit der ermüdeten Kreatur, die Entspanntheit eines Tanzes unter freiem Himmel mit der Anspannung berufsmäßig disziplinierter, der kollektiven Schaulust dargebotenen Körper. (Adriani) Neben seinen Bildern hat Degas - vor allem in seinen letzten Jahren, als sein Augenlicht stark nachließ - eine Reihe von ? Bozzetti aus Wachs geformt, mit denen er, wie in seinen Skizzen, bestimmte Posen und Bewegungen von Tänzerinnen, Badenden, auch von Pferden festhielt. Erst nach Degas' Tod wurden von diesen Plastiken haltbare Bronzeabgüsse gefertigt. Auguste Renoir (1841-1919) wurde in Limoges geboren und stammte aus kleinen Verhältnissen. Er absolvierte in Paris eine Lehre als Porzellanmaler, malte Blumen und Schäferszenen auf Teller und Tassen. Erst mit 20 Jahren wurde Renoir zum Kunstmaler, studierte an der École des Beaux Arts, besuchte häufig den Louvre, bewunderte Courbet und Manet; er lernte Monet und Sisley kennen. Renoir ist der Maler des optimistischen "kleinen Glücks", seine Kinder und seine üppig gerundeten Mädchen geraten oft etwas süß; seine Blumenbilder kamen dem Publikumsgeschmack weit entgegen. In seinen bekanntesten Bildern, dem Tanzcafé "Le Moulin de la Galette" oder dem "Frühstück der Ruderer" ist ein Glücksmoment enthalten, das den Betrachter unmittelbar anspricht. Wie Renoir den Garten liebte, seine natürliche, frei sich entfaltende Schönheit, so empfand er aufs innigste alle Erscheinungen, Begegnungen, Verknüpfungen unter den Szenen des Lebens in der Familie. Man hat später manchen Bildern Titel gegeben, als seien sie naiv sentimental nach Art des Genre. Renoir mochte solche Titel nicht, denn diese Bilder sind durch die Wahrhaftigkeit, Unmittelbarkeit von Maleraugen entstanden, sie haben das Selbstverständliche, das der Liebe innewohnt. Sie sind zutraulich, nie indiskret, sie stellen nichts zur Schau, sie führen zur reinsten Heiterkeit der Lebensfreude. [...] Diese Innenbilder (? Interieurs) kontrapunktieren die impressionistischen Landschaften. Ja, man würde, ohne sie zu kennen, diese Epoche der französischen Malerei nur halb verstehen. Diese Künstler entzückten sich an der einfachen Landschaft wie am Anblick ihres Gartens oder des Wohnzimmers. Es gab nirgends ein des Malens unwertes Motiv. Und es gab keine Scheidung von künstlerischer und profaner Welt. Sie brauchten zum Malen nicht das Außerordentliche. Der Alltag war ihnen gerade recht. Da lagen die schönen Dinge zum Greifen. (Reifenberg) 1883 ist ein Bruch in Renoirs Bildern festzustellen, er verfolgte, beeinflußt vom Werk Cézannes, klassizistische Tendenzen; 1884 entstanden seine "großen Badenden". Als Camille Pissarro (1830-1903) nach Paris kam, um Malerei zu studieren, begeisterte er sich für Courbet und Delacroix, vor allem für Corot. Als Dauergast im Künstlercafé "Nouvelle Athènes", wo sich die Impressionisten trafen, wurde Pissarro mit seinem stets freundlichen, ausgleichenden Wesen zum verbindenden Element der Gruppe. Er war einer der Organisatoren der ersten Impressionistenausstellung von 1874 und beteiligte sich - als einziger auch an allen sieben folgenden Ausstellungen der Gruppe. Pissarro wurde zum Lehrer für Cézanne, Gauguin und van Gogh, die er mit der impressionistischen Malweise bekannt machte. In einem dreijährigen Experiment übernahm Pissarro ab 1884 die - divisionistische Malweise Seurats, kehrte aber dann wieder zur klassischen impressionistischen Maltechnik mit dem improvisierten Komma (Pinselhieb) und der unsystematischeren Farbmischung zurück. In seiner Spätzeit malte Pissarro die breiten, belebten Boulevards in Paris, meist von einem erhöhten Standpunkt aus gesehen. Sein Werk ist ein einmalig reicher künstlerischer Ausdruck der geistigen und künstlerischen Strömungen der Zeit, in der er gelebt und gestaltet hat: der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er hat sich, beweglicher, unbefangener als die anderen. von überall anregen lassen und hat dabei jede künstlerische Anregung charaktervoll in seine eigene Form umgesetzt. Seine Malerei erscheint in ihrer Gesamtheit als ein Kompendium der Mittel und Möglichkeiten von Corot bis Signac. [...] Es ist, als habe er einen fremden Einfluß gebraucht, um entzündet zu werden und sich entfalten zu können. Er beginnt häufig als ein begabter Nachläufer und Nachempfinder. Und doch führt fast jedes seiner Bilder weit über Nachläufertum und Nachempfindung hinaus. In seinen bedeutenden Bildern, es sind einige Hundert, lebt eine besondere Melodie, eine lyrische Wärme, eine atmosphärische Sensibilität, eine klimatische Überempfindlichkeit, eine helle Verzauberung - bisweilen auch eine feine Gebrochenheit und Diskrepanz. (Jedlicka) Alfred Sisley (1839-1899), in Paris geborener Sohn eines wohlhabenden englischen Kaufmanns und dessen französischer Frau, wurde nach einer kaufmännischen Lehre Maler. Im Atelier von Gleyre, einem Historienmaler, lernte er Monet, Bazille und Renoir kennen. Als das Geschäft des Vaters in Konkurs ging, versuchte Sisley, mit der Malerei seine Familie zu ernähren, was ihm nur mit Mühe gelang. Er zog aus dem teuren Paris weg aufs Land. Ein Jahr nach seinem Tod erzielten seine Bilder auf Auktionen hohe Preise. Sisley war fast ausschließlich Landschaftsmaler; er arbeitete meist im Freien, studierte seine Motive während der verschiedenen Jahreszeiten. 1876 malte er eine Reihe von Bildern, die eine Überschwemmung in Port-Marly zum Motiv haben. In einem Brief äußerte Sisley Grundlegendes zur impressionistischen Landschaftsmalerei: Das Sujet oder das Motiv muß stets auf eine für den Beschauer einfache, verständliche, ihn packende Weise wiedergegeben werden. Der Maler muß durch Weglassen aller überflüssigen Details den Besucher zwingen, den gleichen Weg zu gehen wie er und sofort das zu sehen, was den ausführenden Künstler selbst gepackt hat [...]. Diese Lichtwirkungen, die sich in der Natur beinahe stofflich nachweisen lassen, müssen auf der Leinwand auch stofflich wiedergegeben werden. (Graber) Als 17jähriger lernte Claude Monet (1840-1926) in Le Havre den Maler Eugéne Boudin kennen, der dort Strandszenen malte. Von ihm erfuhr er die Vorzüge der Freilichtmalerei; Boudin sagte: "Was man im Freien malt, hat stets eine Kraft, Frische und Lebendigkeit des Pinselstrichs, die man im Atelier nicht erreicht." In seiner Frühzeit malte Monet sonntägliche Figuren beim Picknick und in Blumengärten; bald jedoch schied er konsequent die Figuren aus seinen Bildern aus, die jetzt - wie bei Sisley und Pissarro - Landschaften im Sonnenlicht zeigen, Wasserläufe mit Booten und Hafenanlagen, Bahnhofshallen, Orte, wo Nebel, Dampf, Dunst, wo Reflexe auf Wasserflächen und flirrendes Sonnenlicht auf Landstraßen und Blumenwiesen zu beobachten sind. Monet ist der Impressionist par excellence, denn es ist ihm gelungen, flüchtige Impressionen festzuhalten, welche die früheren Maler vernachlässigten oder von denen sie angenommen hatten, es sei unmöglich, sie mit dem Pinsel wiederzugeben. Die tausend Nuancen, die das Wasser des Meeres und der Flüsse annimmt, das Spiel des Lichts in den Wolken, das vibrierende Kolorit der Blumen und die durchsichtigen Reflexe des Laubes unter den Strahlen einer brennenden Sonne wurden von ihm in ihrer ganzen Wahrheit erfaßt. Indem er die Landschaft nicht nur in ihrem unveränderlichen und permanenten Zustand, sondern auch unter den flüchtigen Aspekten, die ihr die Zufälle der Atmosphäre verleihen, malt, vermittelt Monet von der geschauten Szene eine erstaunlich lebendige und packende Vorstellung. Seine Bilder vermitteln sehr reale Impressionen. Man kann sagen, daß seine Schneemotive einem kalt machen und daß seine Bilder mit vollem Licht wärmen und sonnen. (Duret) Ab etwa 1888 begann Monet, dasselbe Motiv in verschiedenen Lichtstimmungen, zu erschiedenen Tages- oder Jahreszeiten zu malen. Nach der Serie der "Heuhaufen" entstanden die "Pappeln", dann über zwanzig Ansichten der "Kathedrale von Rouen", ab 1902 bis in die zwanziger Jahre hin die Serie der "Seerosenbilder". An den Bildern der "Kathedrale von Rouen" wird deutlich, daß Monet wenig an der Figurenplastik, an der Architektur oder an religiösen Gefühlen interessiert ist; sein Thema ist der Akt des Sehens, wie sich das Licht krustenartig auf den filigranen Formen der Fassade festsetzt und sich in seiner vagen Helle einer raumdeutend- klärenden Wahrnehmung verweigert. Von 1883 an lebte Monet - inzwischen durch den Verkauf seiner Bilder reich geworden - in Giverny an der unteren Seine, umgeben von einem Blumen- und später einem Wassergarten, der nach seinen Plänen entstand und der ihm unausschöpfbar Motive lieferte für seine Meditationsbilder der "Seerosenserie". Von 1902 bis zu seinem Tod arbeitete Monet an dieser Serie, die er unter dem Titel Les Nymphéas, Paysages d'Eau" (Seerosen, Wasserlandschaften) 1909 erstmals der Öffentlichkeit zeigte. Er ging dabei und in den folgenden Bildern bis an die Grenze zur Gegenstandslosigkeit; der Betrachter versinkt in den Spiegelungen der Weidenzweige auf der Wasseroberfläche, zwischen den Blattinseln der Seerosen bis zum wogenden Gras auf dem Grund des Sees, dargestellt durch flirrende Gewebe rhythmisierter Pinselstrichstrukturen. 1918 erhielt Monet im hohen Alter vom Staat den Auftrag, zwei Räume in der Orangerie der Tuileriengärten in Paris mit Seerosenbildern auszumalen. Monet stattete die beiden Säle mit jeweils vier breiten Bildstreifen aus, die Wolken als Spiegelbilder auf Wasseroberflächen zeigen, Weidenzweige - und Seerosen. André Masson nannte die Orangerie mit Monets Seerosenbildern die "Sixtinische Kapelle der modernen Kunst". Es sind die Ungezwungenheit des Farbauftrags und der Malweise, die breiten Farbenstreifen, aus denen sich die Bewegung der Hand ablesen läßt, die Aufhebung jedes Mittelpunktes, jeder Symmetrie und jeglichen Perspektive-Effekts, die Monets Kunst mit der späteren gestischen, gegenstandslosen Malerei verbindet (Michel Hoog). Da Reproduktionen impressionistischer Bilder nur sehr bedingt Gültiges über das Original mitteilen können, ist die Vorstellungskraft des Betrachters in besonderem Maße gefordert. Dies gilt schon für die Größe des Bildformats [...]. Durch die Verkleinerung wird aber auch die Stofflichkeit des teilweise pastosen Farbauftrags unterdrückt. Die leidenschaftliche Bewegtheit der Pinselführung ist nur noch als Struktur zu erkennen, bei der senkrechte und waagerechte Striche mit leuchtenden Flecken und dunklen Flächen korrespondieren. Deutlich wird die Steigerung des Licht- und Farbereignisses des flüchtigen Augenblicks zu einem farbigen Klang [...]. (Grün und Blau entstehen) aus einer Vielzahl differenzierter Farbtöne, die zwischen warm und kalt gespannt sind. Dazu im Kontrast steht die lebhafte Wirkung der blaßroten, gelben und weißen Blüten der Seerosen auf dem Gewirr der Blattinseln. Wo die Wasserfläche frei ist, läßt sie in der Spiegelung die Bäume und Sträucher der Umgebung erscheinen oder wandelt sich auch zum Dunkel undurchdringlicher Tiefe. (Franz) Auf der 4. Pariser Impressionistenausstellung von 1879 begegnete der junge Georges Seurat (1859-1891) der Malerei des Impressionismus; bisher befaßte er sich vor allem mit Bildern der Maler Raffael, Holbein, Poussin, Ingres. Seurat begeisterte sich für die wahrnehmungstheoretischen Überlegungen der Impressionisten, versuchte, diese in ein System zu integrieren. Um seine Theorie des Neoimpressionismus wissenschaftlich abzusichern, befaßte er sich mit den Untersuchungen von Rood, Helmholtz und Chevreuil, ebenso mit der Farbenlehre von Delacroix. Chevreuil hatte bewiesen, daß lokale Farbwahrnehmungen durch Mischung auf der Netzhaut entstehen. Ein reiner Farbfleck ist auf der Netzhaut von einem Ring seiner Komplementärfarben umgeben: Orange hat einen blauen Ring, Rot einen grünen, Violett einen gelben. Die Interferenz dieser "Aureolen" bedeutet, daß jede Farbe ihren Nachbarn verändert. Farbwahrnehmung ist daher eine Sache der Interaktion, ein Gewebe von sich verknüpfenden Ereignissen, und nicht das einfache Aufzeigen eines Farbtones nach dem anderen auf der Netzhaut des Betrachters. Seurat beschloß, dies dadurch deutlich zu machen, daß er seine Farbflecke verkleinerte, sie zu Pünktchen reduzierte, daher der Name "Pointillismus". (Hughes) Paul Signac (1863-1935), der eng mit Seurat zusammenarbeitete, schrieb über die Theorie der Farbzerlegung, den - Divisionismus: Der Neoimpressionismus bedeutet prismatische Zerlegung der Farben und deren Mischung durch das Auge des Beschauers [...][die Neoimpressionisten] haben [...] nur reine Farben auf der Palette, sie verwerfen [...]jede Mischung auf der Palette, ausgenommen die Mischung von im Farbenkreis benachbarten Farben. Diese, untereinander abgestuft und mit Weiß erhellt, erzeugen die Mannigfaltigkeit der Farben des Prismas und alle ihre Abstufungen. (Hess) Wie Cézanne, Gauguin und die zeitgleiche Monumentalmalerei Puvis de Chavannes versuchte Seurat, in großen Kompositionen, wie z.B. im Bild "Ein Sonntagnachmittag auf der Insel Grande Jatte", dem Impressionismus den Anspruch und die Würde der Historienmalerei und der klassischen Tradition zu geben. "Ich will den modernen Menschen entkleiden - und ihn dann auf Gemälden zu Farbharmonien und Harmonien der Linien arrangieren und Linie und Farbe aufeinander abstimmen." Seurat war von der Auffassung der Kunst als Sprachsystem fasziniert und ordnete verschiedenen Kompositionselementen bestimmte Gefühlsausdrücke zu: Heiterkeit entsteht im Ton bei Vorherrschaft des Hellen, in der Farbe bei Vorherrschaft des Warmen, in der Linie bei Bewegung, die über die Horizontale aufsteigt. Ruhe stellt sich ein im Ton bei Gleichgewicht des Dunklen und Hellen, in den Farben bei Gleichgewicht des Warmen und Kalten, in der Linie bei Ausrichtung auf die Horizontale. Der Ton stimmt sich auf Trauer bei Vorherrschaft der Dunkelheit, die Farbe bei jener der Kälte, die Linie bei absteigender Bewegung. (Hess) Die Systematisierung der bildnerischen Mittel, wie sie bei Seurat und Signac begann, findet ihre Fortsetzung im Kubismus und Futurismus und später bei verschiedenen Richtungen der abstrakten Malerei.