Jorn, Asger Oluf Jorgensen, genannt * 3.3.1914 in Vejrun bei Struer (Dänemark) 1936 ging der dänische Lehrer Asger Oluf Jorgensen nach Paris; dort arbeitete er zunächst in Légers Atelier. 1937 kam er zu Le Corbusier, der ihn für die Gestaltung des Pavillons »Temps Nouveaux« auf der Pariser Weltausstellung heranzog. Jorns Werke aus dieser Zeit standen noch deutlich unter dem Einfluß von Kandinsky, Klee, Ernst, Tanguy, Arp und Miró. 1938 kehrte er nach Dänemark zurück, wo er mit dem Architekten Dahlmann Olsen die Zeitschrift »Helhesten« gründete. 1948 wurde er Mitbegründer der Gruppe COBRA, einer der ersten avantgardistischen Bewegungen in Europa, die sich mit »action painting« befaßten. In Büchern und Schriften behandelte er verschiedene Aspekte dieser »art informel«. Die Jahre von etwa 1936 bis 1953 sind gekennzeichnet durch Jorns Versuch, sich von dem Formalismus und den Theorien seiner Pariser Lehrmeister zu befreien und eine persönliche Ausdrucksform zu finden. Er experimentierte mit verschiedenen Medien und Techniken, die er aufgriff, vervollkommnete und wieder verwarf. In jener Zeit entstanden etwa 700 Werke: Gemälde, Zeichnungen, Radierungen, Lithographien, Keramiken, Buchillustrationen und Wandteppichentwürfe; darunter befinden sich vorzügliche Leistungen wie die farbigen Illustrationen zu Genia Katz Rajchmanns »Pigen i Ilden« von 1938, die Didaska-Aquarelle von 1944 und die Zeichnungen zu den »Vredens sange« seines Bruders Jorgen Nash aus dem Jahre 1951. 1950 war Jorn an einem gesundheitlichen und moralischen Tiefpunkt angelangt: Die Bilder aus diesem Jahr zeigen käferartige Kobolde in Aganaks, mörderisch aussehende vielköpfige Adler in Le droit de l'aigle sowie acht Kriegsvisionen, die knapp vor Ausbruch des Koreakrieges entstanden sind. Während eines längeren Krankenhausaufenthaltes 1951- 52 faßte Jorn den Entschluß, gleichsam einen Strich unter die Vergangenheit zu ziehen und nochmals von vorne zu beginnen. An diesem Wendepunkt seiner künstlerischen Entwicklung entstand 1951 die Serie Das Rad des Lebens und 1952 On the silent myth, opus 2 (Silkeborg). 1953 zog Jorn in die Schweiz; seit 1955 lebt er abwechselnd in Paris und in Albisola Marina bei Genua. An seinem größten und eindrucksvollsten Bild Stalingrad: No Man's Land oder The mad laughter of courage arbeitete Jorn von 1956 bis 1960; das Werk war bereits 1956 in Turin unter dem Titel La ritirata di Russia aus gestellt gewesen, wurde jedoch 1957-58 völlig überarbeitet und erst 1960 vollendet. Seine bedeutendste keramische Arbeit ist ein riesiges dreiteiliges Wandbild, das er 1959 für das neue Staatsgymnasium in Arhus schuf. Drei Jorn-Ausstellungen zeigten jeweils eine Bilderreihe: 1959 Modifications in der Galerie Rive Gauche in Paris, 1961 Luxury Paintings in der Tooth's Gallery in London und 1962 Nouvelles Défigurations wiederum in der Galerie Rive Gauche. Die Idee der Modifications hatte er offenbar Marcel Duchamp entlehnt: Bei Trödlern kaufte er wertlose, sentimentale Bilder, die er übermalte; dazu kommentierte er im Vorwort des Ausstellungskataloges, daß er damit eine jahrelange Schuld an den Kitsch abzahlen wollte. Mit den Luxury Paintings verfolgte Jorn einen anderen Zweck: Die meisten dieser Gemälde sind als »jeux d'esprit« sowohl Huldigung an den Dichter James Joyce wie auch Hohn auf die saturierte und versnobte Gesellschaft. Jorns Gemälde sind Zeugnisse des Malaktes, der sich - mit gelegentlichen Rückgriffen auf den Surrealismus - weitgehend autonom vollzieht. Jorn verachtet die traditionelle Ästhetik. Es gelang ihm, einen eigenen Formenapparat, einen charakteristischen, unverwechselbaren Stil zu entwickeln, der Karel Appel stark beeinflußte. Bilder wie Am unbekannten Ufer von 1963 lassen sich eindeutig als Darstellungen von zwei Grundformen interpretieren: der Oval- und der Penalform. Jorn besitzt ein ungeheures Farbempfinden, ist jedoch zumeist nicht willens, die Formen zu bändigen. Als Absage gegenüber jeglichem Perfektionismus bleibt die Malmaterie schließlich sich selbst überlassen. Damit verletzt er das an der Tradition geschulte Feingefühl sowohl in handwerklicher wie auch in kompositioneller, thematischer und ästhetischer Hinsicht. Die Theorie des Harmonischen wird durch die Praxis des Unharmonischen liquidiert. In dem Bemühen, Gefühle in Farben umzusetzen, gelangt Jorn zu einzigartigen Farbwirkungen, die bisher nur von Nolde übertroffen wurden.