Moderne Kunst (und Architektur), avantgardistische Kunst (und Architektur), insbesondere des 20. Jahrhunderts. Die darunter gefassten Strömungen, Stile und Schulen brechen mit zum Teil seit der Renaissance geltenden Maßstäben, die noch die Kunst des 19. Jahrhunderts weitgehend geprägt hatten. Im breiten Spektrum zwischen Gegenständlichkeit oder gar Photorealismus und der völligen Abstraktion von Formen und Farben bis hin zur Monochromie bewegt sich vor allem die moderne Malerei in einem ungeheuer weiten Spektrum, dabei auch die Grenzüberschreitung zu anderen künstlerischen Ausdrucksformen bis hin zum Gesamtkunstwerk suchend. Moderne Kunst Die grundsätzliche Unangemessenheit und Überholtheit künstlerischer Prinzipien im ausgehenden 19. Jahrhundert bildete den Ausgangspunkt der modernen Kunstauffassung. Deren ästhetische Revolution führte zu einer Fülle von Bewegungen wie Fauvismus, Expressionismus, Kubismus, Futurismus, Konstruktivismus, Surrealismus, Neoplastizismus und Minimal Art. Der Aufbruch Die entscheidende Phase in der Entwicklung der modernen Kunst waren die Jahre zwischen etwa 1905 und dem Beginn des 1. Weltkriegs 1914. In diesem Jahrzehnt wurden vor allem mit der gegenständlichen (Pablo Picasso, Georges Braque) wie der ungegenständlichen (Kasimir Malewitsch, Wassily Kandinsky) Abstraktion und der Erfindung des Ready-mades (Marcel Duchamp) die Grundlagen der modernen Kunst gelegt. Zu den Schlüsselwerken dieser Zeit, die jeweils einen Wendepunkt in der künstlerischen Entwicklung markieren, zählen das Gemälde Les Demoiselles d'Avignon von Pablo Picasso aus dem Jahr 1907, das den Weg zum Kubismus weist; das Gemälde Schwarzes Quadrat auf weißem Grund von Kasimir Malewitsch, etwa 1913 konzipiert und 1915 erstmals in einer Ausstellung gezeigt; unter den zwischen 1909 und 1911 entstandenen Werken Kandinskys, in denen sich die Motive zunehmend verschleiern und die den allmählichen Übergang von der gegenständlichen zur ungegenständlichen Abstraktion dokumentieren, ist dies ein Aquarell Ohne Titel von 1910; und schließlich das erste Ready-made mit dem Titel Fahrrad-Rad, ein auf einen Küchenschemel montiertes Rad eines Fahrrades, von Marcel Duchamp aus dem Jahr 1913. Was ist modern? Nicht jedes Kunstwerk, das im 20. Jahrhundert geschaffen wurde, gehört zur modernen Kunst. Die Frage, was als "modern" zu gelten habe, ist bis heute nicht schlüssig zu beantworten. Es gibt dafür kein verbindliches Kriterium. Die Frage muss im Kontext untersucht werden und führt nicht immer zu eindeutigen Ergebnissen. Armin Zweite erkennt als grundlegende Tendenz "die semiotische Wende der Moderne". Diesen Begriff der Moderne definiert er als "Rückzug aus dem Darzustellenden auf die Darstellungsmöglichkeit (...) Die Moderne drängt (...) von realisierter Zeichenfunktion zur Autonomie des Zeichens." Mit anderen Worten: Die Zeichen und die künstlerischen Prozesse, die sie hervorbringen, führen ein Eigenleben und müssen sich nicht mehr (können sich aber) auf die außerkünstlerische Realität beziehen. Aus dieser Spannung (die durch die Begriffe Zeichen, Prozess, Realität angedeutet wird) entspringen die Kräfte, die die Entwicklung der modernen Kunst vorangetrieben haben. Dazu gehört auch die Beobachtung, dass sich viele moderne Künstler von einer einmal erreichten radikalen Lösung wieder entfernt haben. Beispielsweise kehrten Künstler wie Picasso und Malewitsch später zur gegenständlichen Malerei zurück. Diese trägt jedoch die Erfahrung der Ungegenständlichkeit in sich, so dass diese Werke ebenfalls "modern" sind. Erweiterung des Kunstbegriffs Die Moderne hat nicht nur die traditionellen Gattungen Malerei, Graphik und Bildhauerei extrem erweitert und auf neue Weisen miteinander kombiniert, sondern auch ihre Grenzen zu außerkünstlerischen Bereichen geöffnet. Darüber hinaus hat sie eine Vielzahl neuer Techniken, Medien und Ausdrucks- wie Darstellungsformen erfunden oder in die Kunst integriert: neben dem erwähnten Ready-made zum Beispiel Collage und Assemblage, Rauminstallation und Environment, Photographie, Film und Video; in der Aktionskunst, in der Performance und im Happening finden sich Elemente des Theaters; die Land-Art bezieht die Landschaft und Natur mit ein, die Body-Art den menschlichen Körper. Es bestehen Verbindungen zur Architektur. Besonders vielgestaltig sind die Beziehungen zur Musik. Ursprünge der modernen Kunst Die Wurzeln der modernen Kunst liegen in der Malerei französischer Künstler des 19. Jahrhunderts. Für sie wurden formale Aspekte (die künstlerische Umsetzung) immer wichtiger. Édouard Manet etwa reduzierte seine Figuren und abstrahierte sie so vom abgebildeten Gegenstand. Impressionisten wie Camille Pissarro, Claude Monet, Pierre Auguste Renoir und Alfred Sisley waren mehr an der Wiedergabe von Lichtwirkungen interessiert als an der getreuen Abbildung der Realität (siehe Impressionismus). Trotzdem behielten die Impressionisten den illusionistischen Charakter traditionellerer Schulen bei. Später entwickelten andere Künstler die Modelle der Impressionisten weiter. Georges Seurat etwa verwandelte den lockeren impressionistischen Pinselstrich in präzise nebeneinander gesetzte Tupfer und schuf so den Pointillismus. Paul Gauguin verwendete ungewöhnliche Farben mit stark dekorativer Wirkung. Die expressive Verzerrung in Linienführung und Farbgebung im Werk von Vincent van Gogh beeinflusste den Norweger Edvard Munch und die deutschen Expressionisten. Für die Emanzipation der Kunst von ihrem reinen Abbildcharakter war zweifellos Paul Cézanne am wichtigsten. Cézanne entwickelte ein System der Farbabstufungen und Farbebenen, das es ihm erlaubte, den dargestellten Gegenständen eine abstrakte Form zu verleihen. Bereits Cézanne war mehr an strukturellen Prinzipien der Darstellung als am illusionistischen Perspektiveverfahren interessiert. Ähnliches versuchten Pablo Picasso und Georges Braque in ihren kubistischen Landschaften und Still-Leben. Malerei Gemeinsam war der Avantgarde seit Ende des 19. Jahrhunderts ihr wachsendes Bedürfnis nach einer subjektiven Freiheit des Ausdrucks einerseits und nach größtmöglicher Objektivität andererseits. Erst um die Jahrhundertwende fand das Werk der ersten modernen Maler Beachtung, vor allem bei jener jungen Künstlergeneration, die die Qualität von Linie, Farbe und Bildfläche noch mehr betonen wollte. Zu diesen auf Gauguin zurückgreifenden Künstlern gehörten Henri Matisse, André Derain, Maurice de Vlaminck, der Holländer Kees van Dongen und George Braque. Der von Kritikern zunächst abfällig so bezeichnete Fauvismus wirkte von 1898 bis 1908 und hatte einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der modernen Kunst. Expressionismus Sowohl die französischen als auch die deutschen Künstler entwickelten großes Interesse an der Kunst so genannter "primitiver" Völker, vor allem Afrikas und Ozeaniens, in welcher sie ihre Forderung nach Flächigkeit und Abstraktheit bereits verwirklicht sahen. Gauguin zog es in die Südsee, Vlaminck behauptete von sich, die afrikanische Skulptur für Europa entdeckt zu haben. Die jungen Künstler der deutschen Expressionistengruppe Die Brücke, Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und Emil Nolde, besuchten häufig das Dresdener Völkerkundemuseum. Die Münchner Künstlervereinigung Der Blaue Reiter, die 1911 von Wassily Kandinsky und Franz Marc ins Leben gerufen wurde, ließ sich ebenfalls von primitiver Kunst inspirieren. Wassily Kandinsky und Gabriele Münter entdeckten im oberbayerischen Murnau, wo sie 1908 ein Haus bezogen hatten, die volkstümliche Hinterglasmalerei und verarbeiteten diese Entdeckung in ihren Bildern. Aus dem Expressionismus ging in den zwanziger Jahren die Neue Sachlichkeit hervor. Vertreter dieser Richtung waren u. a. Alexander Kanoldt, Georg Schrimpf und Christian Schad. Kubismus Der Kubismus versuchte noch radikaler als die avantgardistischen Strömungen zuvor, eine Abstraktion von der äußeren Wirklichkeit zu erreichen. Picassos Gemälde Les Demoiselles d'Avignon (1907, Museum of Modern Art, New York) ist hierfür das viel zitierte Musterbeispiel (siehe oben). Im Kubismus etwa Picassos und Braques (zwischen 1907 und 1914) wird der zweidimensionale Charakter des Bildes hervorgehoben und der illusionistische Chiaroscuro (die Helldunkeltechnik) aufgegeben. In der ersten Phase des Kubismus versuchten die Künstler, die Formen in der Flächigkeit des Bildes aufzulösen. Auf diese Weise sollten alle Seiten des dargestellten - dreidimensionalen - Objekts anschaulich werden (analytischer Kubismus). Dieses Verfahren führte zur Verwendung kuben- bzw. würfelförmiger Elemente, wobei eine Reduktion der Farbigkeit die Abstraktion noch verstärkte. Dem analytischen Kubismus folgte der synthetische Kubismus, welcher das Prinzip der Collage miteinbezog. Materialien wie Holz, Zeitungsausschnitte, Photographien oder Federn wurden auf das Bild geklebt und so in Verbindung (Synthese) mit der bemalten Oberfläche gebracht. Die Formen blieben fragmentiert und flach, doch spielte die Farbe wieder eine bedeutendere Rolle. Wichtige Kubisten waren Fernand Léger, Robert und Sonia Delaunay, Marcel Duchamp, Juan Gris und František Kupka. Die italienischen Futuristen Gino Severini, Umberto Boccioni, Carlo Carrà und Giacomo Balla arbeiteten in kubistischer Manier (siehe Futurismus). Doch war es ihr Hauptanliegen, Bewegung und Gleichzeitigkeit im dynamisierten Bildaufbau festzuhalten. Abstrakte Kunst Vom gegenständlich-abstrakten Kubismus führt eine direkte Verbindung zur abstrakten Kunst, die diesen Gegenstandsbezug aufgegeben hat. In Deutschland malte Kandinsky seit 1910 ungegenständliche Gemälde, deren Bezüge zur Musik und dem Bereich des "Geistigen" er auch in theoretischen Schriften reflektierte. Paul Klee schuf nach seiner ersten Begegnung mit dem Kubismus abstrakte Aquarelle. Russische Künstler lernten den Kubismus durch einige herausragende Privatsammlungen in Moskau kennen. Kasimir Malewitsch malte 1913 ein Schwarzes Quadrat auf weißem Grund. Er nannte seinen Stil Suprematismus. Das Wort leitet sich vom lateinischen suprematia oder dem französischen suprématie ab, was Überlegenheit, Herrschaft oder Oberhoheit bedeutet, nämlich der Kunst über die Wirklichkeit. Die russischen Konstruktivisten (siehe Konstruktivismus), so Aleksandr Rodtschenko, Ljubow Popowa, El Lissitzky, Naum Gabo, Antoine Pevsner und Wladimir Tatlin, waren ebenfalls vom Kubismus inspiriert. Auch die in Holland auftretenden Avantgardisten versuchten, einen Stil zu entwickeln, der den Aspekten des modernen Lebens angemessen war. Die Grundlagen der Künstlergruppe De Stijl wurden in erster Linie von Theo van Doesburg und Piet Mondrian in ihrer gleichnamigen Zeitschrift formuliert. Mondrian, der den Kubismus von seinem ersten Pariser Aufenthalt her kannte, veröffentlichte 1920 seinen bedeutenden kunsttheoretischen Essay Le Néo-Plasticisme. Darin begriff er den Kubismus als Ausdruck reiner Plastik (Gestalt, Form). In seiner Malerei beschränkte sich Mondrian auf den Gebrauch von Primärfarben, die er in geometrischen Gitterkonstruktionen aus waagerechten und senkrechten Linien einband. Die Zweidimensionalität der Leinwand (des Materials) wurde so betont. Dada Dada entstand während des 1. Weltkrieges in Europa und Amerika. Mit dem Rationalismus Mondrians hatte es nichts gemein. Von den bürgerlichen Wertvorstellungen abgestoßen, die sie für die Inhumanität des Krieges verantwortlich machten, wählten die Dadaisten das Kinderwort dada (französisch für: Steckenpferd), um ihren Protest gegen traditionelle Kunstformen und deren Maximen auszudrücken. Zu den Dadaisten wird auch Marcel Duchamp gezählt, der industriell gefertigte Alltagsgegenstände (Ready-mades) in den Kontext der Kunst stellte und so den Begriff der Kunst selbst fragwürdig machte. Duchamps' unter dem Titel Fontaine 1917 in New York ausgestelltes Pissoir löste Empörung aus. Zentren des Dadaismus waren Zürich, Berlin und Paris. Den Dadaisten werden die Franzosen Hans Arp und Francis Picabia, der Amerikaner Man Ray sowie die deutschen Künstler George Grosz, Max Ernst und Kurt Schwitters zumindest in Phasen ihres Schaffens zugeordnet. Dada verband die künstlerische und literarische Avantgarde. Surrealismus Aus dem Dadaismus ging um 1922 der Surrealismus hervor. Die traumähnlich- melancholischen Gemälde von Giorgio De Chirico mit ihren menschenleeren, von rätselhaften Figuren gesäumten Plätzen nahmen den Surrealismus um mehrere Jahre vorweg. Es war der französische Schriftsteller André Breton, der der Bewegung mit seinem Manifest 1924 den Namen gab. Von der Psychoanalyse Sigmund Freuds beeinflusst, stellte er darin die Bedeutung des Unterbewusstseins und der spontanen Inspiration für den künstlerischen Schaffensprozess heraus. Zu den gegenständlich malenden Surrealisten gehören Max Ernst, Salvador Dalí, René Magritte, Paul Delvaux und Man Ray. Hingegen sind Hans Arp, André Masson, Yves Tanguy und Joan Miró einer abstrakten Form des Surrealismus zuzurechnen. Moderne Malerei in den USA Seit etwa 1850 beeinflusste die Malerei Europas auch Künstler in den Vereinigten Staaten. Der französische Impressionismus etwa prägte die Arbeiten von Childe Hassam und Mary Cassatt. Robert Henri überwand deren zumeist süßlich-epigonalen Stil. Die so genannte Ashcan School widmete sich der Hässlichkeit gewöhnlicher Stadtszenerien, die sie in unprätentiöser Form darzustellen suchen. Fauvismus und Kubismus wurden in Amerika erst durch die Armory Show bekannt, eine 1913 in New York veranstaltete Kunstausstellung. Einige amerikanische Künstler wie Max Weber, Arthur Dove und Marsden Hartley arbeiteten in Europa, wurden hier geprägt und machten die Amerikaner in Alfred Stieglitz' berühmter New Yorker Gallerie 291 mit ihrem Werk bekannt. Die bevorzugten Bildgegenstände von Charles Demuth, Georgia O'Keeffe und Charles Sheeler waren Wolkenkratzer, Schuppen und Industrielandschaften. Im Bereich der abstrakten Malerei in den USA schuf Stuart Davis auf seinen Gemälden eine rhythmische Verbindung von Schrift und farbigen Flächen. Die Eröffnung des New Yorker Museum of Modern Art (1929) machte die moderne Kunst einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Amerikanische Realisten und Regionalisten In den dreißiger Jahren entwickelte sich in den USA eine realistische Schule, die in Opposition zur europäischen Malerei einen eigenen Weg in die Moderne suchte. Zu diesen Künstlern gehörten Ben Shahn, Reginald Marsh und William Gropper, die u. a. politische, soziale und wirtschaftliche Probleme während der Weltwirtschaftskrise thematisierten. Die Regionalisten Grant Wood, Thomas Hart Benton und John Stuart Curry hingegen stellten das amerikanische Landleben ins Zentrum ihrer Bilder. Einer der eindrucksvollsten Realisten war Edward Hopper, der die Einsamkeit und Isolation von Menschen in Großstadthotels und Vorstädten darstellte, obwohl er erklärte, sein einziges Interesse sei die Darstellung von Licht. Andrew Wyeth hielt in düsteren Farben das Landleben in Bildern fest, die in ihrer Traumverlorenheit an den Magischen Realismus gemahnen. Abstrakter Expressionismus Eine Reihe von amerikanischen Künstlern begründete später den Abstrakten Expressionismus. Dabei war die Tatsache bedeutend, dass sich zahlreiche Surrealisten während des 2. Weltkrieges als Exilanten in den USA befanden, z. B. Max Ernst und André Breton. Von der surrealistischen Theorie des unbewussten, quasi "automatischen" Schöpfungsprozesses beeinflusst, versuchten diese Maler, vollkommen spontane Bilder ohne jeden Gegenstandsbezug herzustellen. Der Prozess des Malens selbst wurde zum wichtigsten Anliegen, vor allem in den Drip Paintings von Jackson Pollock, bei denen Farbe auf eine Leinwand am Boden getropft wurde. Um das Prozessuale dieser Kunstwerke zu betonen, prägte der Kunstkritiker Harold Rosenberg den Begriff Action Painting. Er schrieb: "Was auf die Leinwand kam, war nicht ein Bild, sondern ein Ereignis. Nicht länger näherte sich der Maler seiner Staffelei mit einem Bild im Kopf; mit Material in der Hand ging er auf sie zu, etwas mit jenem anderen Stück Material ihm gegenüber zu machen. Das Bild sollte das Resultat dieser Begegnung werden." Andere Künstler des Abstrakten Expressionismus waren Willem de Kooning, Franz Kline, Hans Hofmann und Robert Motherwell. Eine bedeutende Richtung des Abstrakten Expressionismus war das so genannte Colour-Field-Painting, bei dem Künstler wie Mark Rothko, Barnett Newman, Ellsworth Kelly, Clyfford Still und Morris Louis große, aufeinander abgestimmte Farbflächen auf die Leinwand auftrugen. Eine europäische Entsprechung des Abstrakten Expressionismus kann man in Informel und Tachismus der fünfziger und sechziger Jahre sehen. Hauptvertreter waren die Maler Wols (Wolfgang Schulze), Fritz Winter, Hans Hartung, Fred Thieler, Emil Schumacher, Serge Poliakoff und Julius Bissier. Pop-Art und andere Richtungen Im Gegensatz zum Abstrakten Expressionismus versuchten die Künstler der Pop-Art, in ihre Bildwelt Elemente der Massenkultur (Werbung, Comicstrips, Film, Warengegenstände etc.) zu integrieren. Bedeutsam war hierbei der Einfluss von Marcel Duchamps Ready-mades. Die wichtigsten Pop-Art-Künstler waren Andy Warhol, Jasper Johns, Robert Rauschenberg, Roy Lichtenstein, Tom Wesselmann und James Rosenquist. Die Nachwirkungen der Pop-Art sind im Photorealismus (oder Hyperrealismus) ablesbar, der Ende der sechziger Jahre entstand und der die sekundäre Zeichenwirklichkeit der modernen Welt mit photographischer Präzision einzufangen suchte. Die Amerikaner Richard Estes, Robert Cottingham, Chuck Close und Don Eddy waren die prominentesten photorealistischen Maler dieser Zeit. Die Op-Art (Abkürzung für: Optical Art), in der schwarz-weiße Formstrukturen oder starke Farbkontraste zu optischen Illusionen verwendet wurden, war nur eine der neuen Richtungen in der abstrakten Kunst der sechziger und siebziger Jahre in den USA. Eine andere war die Minimal Art, welche in Abgrenzung zum Abstrakten Expressionismus entstand und von den strengen geometrischen Kompositionen von Josef Albers angeregt wurde. Beispiele dieser Kunst sind die strikt geometrischen Formen von Kenneth Noland, die seriellen Muster von Larry Poons sowie die nahezu monochromatischen Gemälde von Robert Ryman. Die internationale Bewegung der Konzept-Kunst (Conceptart) versuchte vor allem in den siebziger Jahren, durch die Projektion von künstlerischen Ideenkonzepten den Denkprozess des Betrachters in Gang zu setzen. Ein wichtiger deutscher Vertreter dieser Kunst war Tim Ulrichs. Neoexpressionismus, Francis Bacon, David Hockney Francis Bacon malte Bilder mit einsamen, ausgesetzten und oft schmerzverzerrten Figuren (berühmt wurde das oft variierte Motiv des schreienden Papstes Innozenz X. nach einem Gemälde von Velázquez) einen ganz eigenen modernen Stil. Das Werk David Hockneys mit seinen steril wirkenden Bildern von Badenden in oftmals gekachelten Räumen verbindet abstrakte Elemente zu einer neuen, gleichzeitig dem Realismus verpflichteten Malerei. In den siebziger Jahren formierte sich eine Bewegung, die in ihrer kraftvollen Malerei und ihrer betonten Vitalität auf den deutschen Expressionismus zurückgriff. Zu diesen Neoexpressionisten gehören in Deutschland Georg Baselitz, Jörg Immendorff, Markus Lüpertz und A. R. Penck. Eine Berliner Künstler-Bewegung wurde um 1980 als "Junge Wilde" bekannt. Zu ihr gehörten Helmut Middendorf, Rainer Fetting, Salomé und Bernd Zimmer. Einer ähnlichen Richtung gehört die Kölner Künstlergruppe "Mülheimer Freiheit" an, zu der Walter Dahn, Jiri Georg Dokoupil, Peter Bömmels und andere gehörten. Anselm Kiefer verbindet Landschafts- und Historienbild. In seinen meist großformatigen Bildern lotet er die Abgründe deutscher Mythen und (Geistes-)Geschichte aus. Aber auch die Italiener Sandro Chia, Francesco Clemente und Enzo Cucchi sowie die Amerikaner Julian Schnabel und David Salle sind dem Neoexpressionismus zuzurechnen. Bildhauerei Wie die modernen Maler, so fanden auch moderne Bildhauer wie Constantin Brancusi und Henry Moore zur Abstraktion. Brancusi versuchte, mit seinen reduzierten Modellen der künstlerischen Urform nachzuspüren. Moore betonte gleichfalls die Schönheit des Materials und schuf elegante, oftmals monumentale Plastiken, die er nach rhythmischen oder architektonischen Aspekten arrangierte. Moderne Bildhauer des 20. Jahrhunderts Anfang des 20. Jahrhunderts wurden mehrere Bildhauer vom Kubismus beeinflusst, unter ihnen Alexander Archipenko, Raymond Duchamp-Villon und Jacques Lipchitz. In Russland ging es den Konstruktivisten mehr um das Raumgreifende der Plastik. Einer der wichtigsten Vertreter des Konstruktivismus war Wladimir Tatlin, der durch sein Monument für die dritte Internationale (1919/20) berühmt wurde. Diese monumentale Architektur-Plastik (sie sollte 400 Meter hoch werden) wurde allerdings nicht ausgeführt, sie ist nur als Modell erhalten. Andere Konstruktivisten waren Aleksandr Rodtschenko und El Lissitzky, der den Konstruktivismus in den zwanziger Jahren nach Westeuropa brachte. Die konstruktivistischen Werke der Brüder Naum Gabo und Antoine Pevsner wie die des Ungarn László Moholy-Nagy übten später Einfluss auf die abstrakte Kunst der USA aus. Der Dadaist Duchamp schuf 1913 eine mobile (bewegliche) Plastik, indem er das Rad eines Fahrrads auf einen Hocker montierte. Duchamp war es auch, der später für die beweglichen Skulpturen von Alexander Calder den Begriff des Mobiles prägte. In Opposition zur traditionellen Bildhauerei schuf Duchamp in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts seine Ready- mades, darunter ein Flaschentrockner. Etwa gleichzeitig begannen Pablo Picasso, Max Ernst und Man Ray, gefundene Objekte (objéts trouvés) in ihre Werke zu integrieren. Der Effekt war oft surreal, so in Man Rays Das Geschenk (1921, Museum of Modern Art), einem Bügeleisen mit Nägeln. Andere Surrealisten wie Hans Arp schufen abstrakt-organische Plastiken, während Alberto Giacometti die Oberfläche seiner menschlichen Figuren aufbrach, um die verzweifelte Einsamkeit des Menschen sinnfällig zu machen. Calder übernahm die abstrakten und geometrischen Prinzipien des Neoplastizismus in sein Werk: Seine frühen abstrakten Drahtkonstruktionen und sein flächiger Farbstil verdanken sich zum Teil den Ideen von Mondrian. Andere abstrakte Bildhauer waren die Amerikaner Seymour Lipton, Isamu Noguchi, David Smith und Mark di Suvero sowie der Brite Anthony Caro. Neuere Bildhauerei Zur neueren Bildhauerei gehören die minimalistischen Arbeiten von Carl Andre, Robert Morris, Sol LeWitt und Donald Judd. Richard Serra stellte große, massive und raumfüllende Metallplastiken her. Keramische Plastik wurde von Robert Morris und Robert Smithson geschaffen. Führende Vertreter der kinetischen (auf Bewegung ausgerichteten) Kunst sind George Rickey und der Neuseeländer Len Lye. Mit Licht arbeiten Chryssa und Dan Flavin, mit Video der Ire Les Levine und der Koreaner Nam June Paik. Die spielerischen Skulpturen von Claes Oldenburg sind der Pop-Art verbunden, ebenso wie die weißen Gipsfiguren von George Segal. Veristische, also lebensecht wirkende Figuren aus farbigem Polyesterharz verfertigten Duane Hanson und John De Andrea. Joseph Beuys Ein Künstler, der in seinen Werken fast alle künstlerischen Möglichkeiten virtuos und wegweisend erkundet hat, ist Joseph Beuys, der als der wichtigste Künstler der zweiten Jahrhunderthälfte gelten kann (in der ersten Hälfte nimmt diesen Platz Picasso ein). Beuys entwarf seinen Begriff von der "sozialen Plastik", der das Wirkungsfeld der Kunst auf alle menschlichen Tätigkeitsbereiche, besonders aber Gesellschaft, Kultur, Politik und Ökologie, ausdehnte. Sein berühmt gewordener, aber meist missverstandener Satz "Jeder Mensch ein Künstler" meint eben nicht die Einbeziehung der Sonntagsmaler und Laienkunst ("Kunst als Freiraum"), sondern ein ästhetisches Konzept, das Leben und Welt des Menschen als "Werk" auffasst, an dem jeder Mensch mitwirkt ("Kunst als Verwirklichung von Freiheit"). Die Bewusstmachung dieses Prozesses ist Aufgabe der Kunst. Auf das Lebenswerk von Beuys trifft in besonderem Maß der Begriff des Gesamtkunstwerks zu, der aus dem 19. Jahrhundert stammend das Zusammenfließen und -wirken verschiedener Gattungen (bildende Kunst, Musik, Theater, Literatur, aber auch Lebensstil) unter der Regie eines Künstlers oder einer Künstlergruppe bezeichnet. 6