Perspektive (lateinisch perspicere: hindurchschauen, deutlich wahrnehmen), die Darstellung räumlicher Gegenstände auf einer zweidimensionalen Zeichenebene unter denselben Bedingungen, unter denen sie im dreidimensionalen Raum erscheinen. Die perspektivische Darstellung basiert auf den grundlegenden Gesetzen der Optik, besonders auf der Tatsache, dass weiter entfernte Objekte im Raum kleiner erscheinen als Objekte, die sich in größerer Nähe zum Betrachter befinden (perspektivische Verkürzung). Bei der linearen Zentralperspektive verlaufen alle waagerechten Linien als Fluchtlinien in den Raum, um sich schließlich in einem imaginären Punkt (Fluchtpunkt) zu treffen. Die einfachste Möglichkeit, sich dieses Phänomen zu vergegenwärtigen, ist die Vorstellung von zwei Eisenbahnschienen, die vom Betrachter weg führen. Bei der perspektivischen Darstellung nennt man die ebene Fläche des gemalten Bildes Bildebene und die Linie, die das Bild in Höhe des Fluchtpunktes waagerecht schneidet und der Augenhöhe des Betrachters entspricht, Horizontlinie. Die Untersicht, bei der die Horizontlinie sehr tief liegt, wird als Froschperspektive bezeichnet, die Aufsicht mit hochliegendem Horizont dagegen als Vogelperspektive. Die genaue Kenntnis der Gesetze der Perspektive ist eine Errungenschaft der italienischen Frührenaissance und wurde erst im 15. Jahrhundert auch theoretisch begründet. Obgleich man bereits in der antiken Malerei eine gewisse Vorstellung von Perspektive besaß – so zeigen sich beispielsweise in der Freskomalerei bereits Andeutungen von Raumtiefe – , wurde doch in der Antike niemals eine schlüssige Fluchtpunkt-Theorie entwickelt. Im Mittelalter gerieten diese Kenntnisse wieder in Vergessenheit, da man Größenverhältnisse zwischen Figuren nicht nach ihrer Position im Raum, sondern nach ihrer Bedeutung festlegte (Bedeutungsperspektive oder umgekehrte Perspektive). In der Zeit um 1400 begannen italienische Renaissance-Künstler ein intuitives Verständnis für Raumtiefe zu entwickeln, doch erst der florentinische Baumeister Filippo Brunelleschi entdeckte nach einer Reihe von Experimenten, die er zwischen 1417 und 1420 durchführte, das Verfahren der zentralperspektivischen Projektion. Die florentinischen Maler Masaccio und Paolo Uccello gehörten zu den Ersten, die Brunelleschis Regeln auf die Malerei anwandten und die ersten zentralperspektivischen Gemälde schufen. 1435 veröffentlichte der Architekt und Universalgelehrte Leon Battista Alberti seine Abhandlung Della pittura (Über die Malerei), in der er seine Erkenntnisse und Methoden erläuterte und die weit reichende Wirkung auf seine Zeitgenossen und die Künstler nachfolgender Generationen haben sollte. Die Entwicklung der so genannten Luftperspektive, ausgehend von der Erkenntnis der unterschiedlichen Nah- und Fernwirkung von Farbwerten, wird besonders den niederländischen und flämischen Meistern wie Jan van Eyck zugeschrieben, die sich mit dem Raumproblem weniger grundsätzlich befassten, jedoch erkannten, dass Farbwerte mit wachsender Entfernung des Betrachters immer bläulicher und heller erscheinen. Die theoretische Erkenntnis der Gesetze der Zentralperspektive waren nicht nur für die Entwicklung von Malerei und Bildhauerei von fundamentaler Bedeutung. Auch im Bereich der Architektur bildeten sie die Grundlage für komplexere Planungen, indem sie den Architekten ermöglichten, sich auf dem Papier Klarheit über die räumliche Wirkung ihrer Entwürfe zu verschaffen. Im Barock waren sie Voraussetzungen für illusionistische Darstellungen von Scheinarchitektur, die an Wänden oder Decken räumliche Tiefe vortäuschten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verlor die vollendete Darstellung der Perspektive jedoch an Bedeutung, und visuelle Genauigkeit wurde von den neuen avantgardistischen künstlerischen Bewegungen in den Hintergrund gestellt.