Renaissance (französisch: „Wiedergeburt“), Epoche der europäischen Geschichte, die sich durch ein wieder erwachendes Interesse an der Kunst und Kultur der Antike auszeichnete. Die Renaissance hatte ihren Ursprung im Italien des 14. Jahrhunderts und erfasste im 16. Jahrhundert ganz Europa. Diese Zeit war durch tief greifende soziale, politische, wirtschaftliche, kulturelle und geistesgeschichtliche Veränderungen gekennzeichnet. Die bislang hierarchisch gegliederte Feudalgesellschaft des Mittelalters war vorwiegend von einer agrarisch strukturierten Wirtschaft und dem sehr weit reichenden Einfluss der Kirche geprägt gewesen. Diese Strukturen begannen nun aufzubrechen. Daran hatten nicht zuletzt Intellektuelle und Künstler entscheidenden Anteil, die sich eben wegen des beherrschenden Einflusses der Kirche der Antike zuwandten. Für die Wirtschaft wurde der Handel immer wichtiger; im kulturellen Leben gewannen weltliche Institutionen an Bedeutung. Hintergrund Der Begriff Renaissance kam erst im 19. Jahrhundert auf. Zum ersten Mal gebrauchte ihn der französische Historiker Jules Michelet im Jahr 1855 in seinem Buch Entdeckung von Welt und Mensch im 16. Jahrhundert. Der Schweizer Historiker Jacob Burckhardt baute in seinem Klassiker Die Kultur der Renaissance in Italien (1859) Michelets Auffassung weiter aus. Er definierte die Renaissance (italienisch Rinascimento) als den Zeitraum zwischen den Malern Giotto und Michelangelo. In diese Zeit falle die Geburt des Individuums, die Bewusstwerdung des Menschen als Individuum nach einer langen Epoche des Verfalls. Heute ist der Mythos widerlegt, das Mittelalter sei ein dunkles, unschöpferisches Zeitalter gewesen. Die Renaissance konnte im Gegenteil auf einen in diesem „dunklen Zeitalter“ aufgehäuften, in vielerlei Hinsicht reichhaltigen Fundus zurückgreifen; in den 1 000 Jahren vor der Renaissance wurden gerade die Voraussetzungen für ihr Entstehen geschaffen. Den scriptoria (Schreibsälen) der mittelalterlichen Klöster war es zu verdanken, dass Abschriften der Werke lateinischer Schriftsteller wie Vergil, Ovid, Cicero und Seneca erhalten blieben. Das heute in Europa vorherrschende Rechtssystem hat seinen Ursprung im zivilen und kanonischen Recht, wie es im 12. und 13. Jahrhundert entwickelt wurde. Die Denker der Renaissance befassten sich nach mittelalterlicher Tradition weiterhin mit grammatischen und rhetorischen Studien. Im Bereich der Theologie setzten sich die mittelalterlichen Denkrichtungen Scholastik, Thomismus, Scotismus und Ockhamismus in der Renaissance fort. Die mittelalterliche Auffassung der platonischen und aristotelischen Lehre war für das philosophische Denken der Renaissance von grundlegender Bedeutung. Fortschritte in mathematischen Fächern, darunter in der Astronomie, waren Vorarbeiten aus dem Mittelalter zu verdanken. Die Schulen von Salerno in Italien und Montpellier in Frankreich waren im Mittelalter berühmte Zentren für medizinische Studien. Siehe auch Astronomie; Medizin; Philosophie Die italienische Renaissance war vor allem ein städtisches Phänomen; die blühenden Städte Mittel- und Norditaliens, Florenz, Ferrara, Mailand und Venedig spielten hier eine herausragende Rolle. Mit dem Reichtum dieser weltlich orientierten Städte und ihres aufstrebenden Bürgertums wurden die kulturellen Errungenschaften der Renaissance finanziert. Bruch mit Traditionen Besonders einschneidend war der Bruch mit der Tradition auf dem Gebiet der Historiographie. Werke wie Historiarum Florentini populi libri XII (1420) von Leonardo Bruni, Istorie fiorentine (1525) von Niccolò Machiavelli, Storia d’Italia (1561-1564) von Francesco Guicciardini und Methodus ad Facilem Historiarum Cognitionem (1566) von Jean Bodin waren von einer seit der Antike beispiellosen weltlichen Geschichts- und Staatsauffassung geprägt. Die Historiker der Renaissance lehnten die christliche Einteilung der Geschichte, wie sie im Mittelalter üblich war (Schöpfung, Menschwerdung Christi, Warten auf das Jüngste Gericht), ab. Sie gliederten die Geschichte in Altertum, Mittelalter und das goldene Zeitalter der Wiedergeburt, das gerade begonnen hatte. Während die Gelehrten des Mittelalters misstrauisch auf die heidnische Welt der Griechen und Römer geblickt hatten und glaubten, sie lebten im letzten Zeitalter vor dem Jüngsten Gericht, verehrten ihre Kollegen der Renaissance die Antike, verurteilten das Mittelalter als unwissend, barbarisch, kurz: dunkel. Ihre eigene Zeit erklärten sie zu einer Epoche des Lichtes. Der Humanismus der Renaissance stellte einen weiteren Bruch mit mittelalterlichen Traditionen dar. Man studierte klassische Texte um ihrer selbst willen und benutzte sie nicht länger zur Ausschmückung und Rechtfertigung der christlichen Kultur. Das enorme Interesse an der Antike drückte sich in einer aufgeregten und erfolgreichen Suche nach klassischen Manuskripten aus: die Dialoge des Platon, die historischen Werke von Herodot und Thukydides, die Werke der griechischen Dramatiker und Dichter sowie der Kirchenväter wurden neu entdeckt und zum ersten Mal kritisch bearbeitet. Byzantinische Gelehrte, die nach dem Fall Konstantinopels 1453 nach Italien gekommen waren und nun in Florenz, Ferrara und Mailand lehrten, brachten das Studium des Griechischen im 15. und 16. Jahrhundert zur Blüte. Obwohl es manchmal zur bloßen Imitation der Klassik verkam, sollte das Studium antiker Literatur, Geschichte und Philosophie die Menschen freier und gebildeter machen, ihnen Stil und Urteilsvermögen vermitteln. Die Vervollkommnung des Körpers durch Training, ein Ideal, das im Mittelalter kaum Anerkennung fand, wurde in der Renaissance zu einem wichtigen Erziehungsziel. Humanistische Studien und bedeutende Kunstwerke der Renaissance wurden von den führenden Familien Italiens gefördert und finanziell unterstützt. Zu ihnen gehörten die Medici aus Florenz, die Este aus Ferrara, die Sforza aus Mailand, die Gonzaga aus Mantua sowie die Herzöge von Urbino, die venezianischen Dogen und auch das römische Papsttum in seiner Renaissance-Ausprägung. Kunst In Folge der Wiederentdeckung und des Studiums der Antike entstanden mit der klassischen Philologie, der Archäologie, der Numismatik und der Epigraphik neue Wissenschaften. In der Kunst vollzog sich der entscheidende Bruch mit der Tradition des Mittelalters um 1420 in Florenz, als die lineare Perspektive entwickelt wurde und somit dreidimensionaler Raum auf flachem Untergrund überzeugend wiedergegeben werden konnte. Verblüffende Beispiele dieser Technik sind die Werke des Architekten Filippo Brunelleschi und des Malers Masaccio. Der Bildhauer Donatello, der nachhaltigen Einfluss auf die Kunst der Renaissance ausübte, schuf den bronzenen David, die erste lebensgroße nackte Statue seit der Antike. Ab Mitte des 15. Jahrhunderts verband man in der bildenden Kunst die klassische Form auch wieder mit klassischen Themen; Motive aus der antiken Mythologie schmückten Paläste, Wände, Möbel und Bildtafeln. Der antike Brauch, zur Würdigung bedeutender Persönlichkeiten Medaillen mit deren Porträt zu schlagen, wurde von dem Maler und Medailleur Pisanello wieder aufgenommen. Piero della Francesca, Andrea Mantegna und Sandro Botticelli schufen Porträts bekannter Personen, die deren individuelle Erscheinung betonten. Die Umsetzung der Ideale von Harmonie und Proportion fand ihren Höhepunkt im 16. Jahrhundert in den Werken Raffaels, Leonardo da Vincis und Michelangelos. Siehe auch Renaissancekunst Wissenschaft und Technik Besonders nach den Erstübersetzungen der Werke der Ärzte Hippokrates und Galen im 15. und 16. Jahrhundert erzielte man auch in der Medizin und der Anatomie bedeutende Fortschritte. Im 16. Jahrhundert wurden einige der wichtigsten, grundlegenden griechischen Abhandlungen zur Mathematik übersetzt und, darauf aufbauend, z. B. die Lösung mathematischer Gleichungen dritten Grades gefunden. Und auch die Erkenntnisse der Astronomen Nikolaus Kopernikus, Tycho Brahe und Johannes Kepler gingen noch weit über die Vorgaben aus der Antike hinaus. Ende des 16. Jahrhunderts wandte Galilei in einem entscheidenden Schritt mathematische Modelle auf die Physik an. Die Geographie wurde durch das neue empirische Wissen revolutioniert, das man durch Forschungsreisen außerhalb Europas gewann, sowie durch die Übersetzungen der Werke der griechischen Geographen Ptolemäus und Strabo. Die Erfindung der Buchdruckerkunst im 15. Jahrhundert schuf schließlich die Voraussetzungen für die Verbreitung des neu erworbenen Wissens. Der Einsatz von Schießpulver ab Mitte des 15. Jahrhunderts revolutionierte die Kriegsführung. Die Artillerie war gegen die Steinmauern der Burgen und Städte auf verheerende Weise wirkungsvoll. Die Reitertruppen und Bogenschützen der mittelalterlichen Heere wurden allmählich durch Fußsoldaten mit tragbaren Feuerwaffen ersetzt. Sie bildeten die ersten stehenden Heere Europas. Politik Die Rechtswissenschaft bewegte sich zunehmend von der abstrakten dialektischen Vorgehensweise mittelalterlicher Juristen weg hin zu einer philologischen und historischen Interpretation der Quellen des Römischen Rechtes. Nach den in der mittelalterlichen Staatsphilosophie besonders wichtigen Themen Freiheit, Recht und Gerechtigkeit wurden nun Sicherheit und Frieden zu den zentralen Gegenständen des politischen Denkens. Die italienischen Stadtstaaten entwickelten sich während der Renaissance zunehmend zu Territorialstaaten, deren Bestreben es war, das jeweils eigene Territorium auf Kosten der anderen Staaten auszudehnen. Territoriale Konsolidierungsprozesse fanden gleichzeitig auch in Deutschland, Spanien, Frankreich und England statt. Unterstützt wurden diese Prozesse durch eine moderne Diplomatie, die als politisches Instrument neben der neuen Kriegsführung ihren Platz fand. Religion Der Klerus, vor allem der höhere, richtete sich in der Renaissance zunehmend an der Moralvorstellung und der Ethik der Zivilgesellschaft aus. Päpste, Kardinäle und Bischöfe waren in ihrem Handeln kaum von weltlichen Kaufleuten und Politikern zu unterscheiden. Das Christentum blieb aber weiterhin ein zentrales Element der Kultur. Prediger wie San Bernardino von Siena und Theologen und Prälaten wie Sant’Antonino von Florenz wurden von einer großen Anhängerschar verehrt. Darüber hinaus beschäftigten sich viele Humanisten mit theologischen Fragen und übertrugen das neue philologische und historische Gedankengut auch auf das Studium und die Interpretation der frühen Kirchenväter. Der humanistisch geprägte Blick auf Theologie und Heilige Schrift, wie er sich in den Werken des italienischen Dichters Petrarca bis hin zu dem niederländischen Humanisten Erasmus Desiderius findet, hatte großen Einfluss sowohl auf den Katholizismus als auch auf den Protestantismus.